Frankfurt/M. Bestseller-Autor David Safier spricht im Interview über seine jüdischen Wurzeln, die Kraft der Fantasie und die Grenzen des Humors

Seine Karriere begann mit dem Drehbuch: „Nikola“ machte David Safier in der Branche bekannt, „Berlin, Berlin“ brachte ihm den Emmy ein. Dann fragte ein Verlag, ob er nicht auch Romane könne? Er konnte. Mit Britta Heidemann sprach der 49-Jährige über die Freude am Schriftstellersein, seine jüdischen Wurzeln und die Grenzen des Humors.

Welche Vorteile hat das Romane-schreiben?

Es gibt weniger Restriktionen. Ich muss nicht auf ein Budget achten, eine Buchseite kostet immer gleich. Viele Filmprojekte scheitern: Weil eine Filmförderung platzt, der Hauptdarsteller in einer privaten Krise ist. Bei den Romanen habe ich die Sache selbst in der Hand. Da kann niemand beim Verlag sagen: Herr Safier, uns überzeugt das noch nicht, jetzt schreibt mal der Kollege Jan Weiler weiter.

Vor zwei Jahren haben Sie Ihre Fans überrascht: Mit dem Roman „28 Tage lang“, der gar nicht lustig war – sondern vom Aufstand im Warschauer Ghetto erzählte.

Das Thema hat mich seit über 20 Jahren nicht losgelassen. Meine Großeltern väterlicherseits sind im Holocaust umgekommen, mein Vater musste 1938 aus Wien fliehen. Meine Mutter wiederum wurde als Kriegskind in Deutschland traumatisiert. In der Familie wurde über all dies kaum gesprochen. Ich habe mir ein Bild aus Eindrücken und Halbsätzen zusammengesetzt.

Spielt der jüdische Glaube in Ihrem Leben eine Rolle?

Mein Vater wollte gerne, dass ich meine Bar Mizwa mache. Gemeinsam sind wir fünf, sechs Mal im Jahr zur Gemeinde gegangen. Der Gottesdienst war auf Hebräisch, ich habe kein Wort verstanden. In meinem Alter gab es in der Gemeinde niemanden. Die Sachen, die einen ansprechen als junger Mensch, Gemeinschaft, ein religiöses Gefühl, die gab es dort für mich nicht. Ich bin aus der Gemeinde ausgetreten, als mein Vater gestorben ist. Das war keine Antipathie, sondern hat sich eben so ergeben.

In Ihrem Werk greifen Sie aber doch immer wieder religiöse und spirituelle Themen auf.

Ich versuche, für mich Antworten zu finden. In „Mieses Karma“ oder „Jesus liebt mich“ komme ich zu ähnlichen Ergebnissen: Es ist egal, ob man glaubt, dass man als Tier inkarniert wird oder in die Hölle kommen kann. Ob ich Strafe fürchte oder auf Lohn hoffe – wichtig ist, hier auf Erden ein gutes Leben zu führen. An die moralischen Werte, die die Religionen vermitteln, an die kann man glauben. Das ist der ernste Kern in meinen Büchern.

Denken Sie darüber nach, ob Ihr Humor seine Wurzeln im berühmten „jüdischen Humor“ haben könnte?

Ich denke natürlich darüber nach. Gerade im Ausland werde ich mit der Frage nach dem Humor der Deutschen konfrontiert. Da sage ich immer, dass Humor heute international ist. Meine Bücher waren, relativ gesehen, in Österreich erfolgreicher als in Deutschland. Wenn mein Vater von Wien erzählt hat, hat er immer vom jüdischen Kabarett erzählt. Das war seine Art von Humor. Also kann ich nicht ausschließen, dass dort meine Wurzeln sind. Als junger Mensch habe ich „Mad“-Hefte aus Amerika gelesen, die auch von Juden gemacht wurden. Ich habe aber immer abgelehnt, auf dem Ticket „jüdischer Humor“ meine Bücher zu vermarkten.

Die Kernfrage in „Traumprinz“ ist: Können wir unser Schicksal selbst schreiben. Richtig?

Das Thema ist die Kraft der Fantasie. Menschen haben Tagträume, die sich oft realer anfühlen als das, was sie eigentlich gerade machen.

Wenn Sie sich Ihr Leben malen könnten, was würden Sie ändern?

Nicht sehr viel. Ich bin sehr dankbar und weiß, wie viel Glück ich gehabt habe. Nicht nur beruflich. Meine Schwester ist sehr früh, mit Mitte 30, an Krebs gestorben. Ich bin mir bewusst, dass dieses Leben in Frieden, Wohlstand, Gesundheit nicht selbstverständlich ist.

Der Frieden scheint allerdings gefährdet: Beziehen Sie lauter werdenden rechten Parolen eigentlich auf sich selbst, auf Ihre Herkunft?

Ich bin aufgewachsen mit Eltern, die mir immer sagten: 99 Prozent der Menschen sind schlecht. Davon musst du dich befreien, denn das ist natürlich nicht so. In den Umfragen der letzten Jahrzehnte lag der Anteil ausländerfeindlicher, antisemitischer Tendenzen in der Bevölkerung bei 20 bis 30 Prozent. Neu ist, dass diese Tendenzen jetzt Ausdruck finden. Ich beobachte eine Verrohung der Sprache, die mich besorgt. Da müssen wir als Gesellschaft aufpassen.

Wie ist das in der Kunst? Gibt es Grenzen des Humors?

Ja, natürlich. Das gilt etwa auch für den Fall Böhmermann: Nur, weil man auf der vermeintlich richtigen Seite steht, heißt es nicht, dass man alle Freiheiten hat. Es haben sich auch liberal denkende Türken beleidigt gefühlt. Man ist als Kabarettist oder Karikaturist nicht nur dem Humor verpflichtet, sondern auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nehmen wir die Mohammed-Karikaturen: Was genau möchte man bezwecken? Wenn Künstler sich selbst für politisch halten, sollte zu ihrem Selbstverständnis auch eine politische Verantwortung gehören.

Gab es je beleidigte Reaktionen auf eines Ihrer eigenen Bücher?

Bei „Jesus liebt mich“ habe ich sehr genau geschaut, dass es kein blasphemisches Buch wird. Ich habe einen Pastor gegenlesen lassen, der mir sagte: Ich mag das Buch nicht, aber es ist theologisch fundiert. Ich habe dann sogar auf dem Kirchentag gelesen.

Buch und Lesung

„Du findest keinen?Mal dir einen!“: In David Safiers neuem Roman „Traumprinz“ (Kindler, 320, 19,95 €) kritzelt Comiczeichnerin Nellie einen netten jungen Mann in eine alte Kladde – und am nächsten Tag ist der Prinz lebendig, rasante Verwicklungen inklusive. Am 28. November ist David Safier ab 19.30 Uhr in Herne zu Gast. Weitere Infos: www.literaturhaus-herne-ruhr.de