Oberhausen. . Spektakuläre Bühnentechnik, toller Sound und beeindruckende Waschbrettbäuche im Fellkostüm: das Musical “Tarzan“ begeistert satte drei Stunden lang.
Man hat noch nicht Platz genommen, da hört man schon die Vögel kreischen. In der Ferne erklingen Trommeln. Willkommen im Dschungel, willkommen bei Tarzan. Seit dem Wochenende schwingt sich der einst von Edgar Rice Burroughs erdachte Urwald-Held als Musicalstar durch das Metronom-Theater in Oberhausen.
Bevor es aber in die Wildnis geht, geht es auf das Meer. Und so wie das Schiff auf dem gigantischen Bühnenvorhang schaukelt, ist man nicht überrascht, dass der Kahn kentert. Wie er dann aber sinkt, wie die Überlebenden sich retten können, das ist unter Nutzung der vertikalen Ebene so geschickt inszeniert, dass man staunt und sich fragt, ob sich dieses visuelle Niveau halten lässt.
Die ganze Affenbande rennt
Die Antwort darauf gibt es nur Minuten später. Denn da kommt die ganze Affenbande. Kommt von hinten oder durch seitliche Eingänge, fällt an langen Seilen durch Löcher aus der Decke, schwingt sich in maßgeschneiderten Fluggeschirren immer wieder knapp über die Köpfe der Zuschauer und stürmt auf die wunderbar gestaltete Bühne.
Der ganze Saal wird zum Urwald. So hoch ist das Tempo, dass man in manchen Momenten gar nicht weiß, in welche Richtung der Kopf sich als nächstes drehen soll. Mitunter hat man den Eindruck, als sei das Metronom Theater für diese Show gebaut worden. So aufsehenerregend wie in Oberhausen sind Tarzan und seine Gorillas jedenfalls noch nie geflogen.
Die Devise lautet: "Waschbrettbauch im Fellkostüm"
Auch am Boden geben die Darsteller bis hinein in die kleinste Rolle ein wunderbar affiges Bild ab. Für die Männer gilt die Devise „Waschbrettbauch im Fellkostüm“ aber auch die Gorilla-Damen wirken austrainiert bis in die letzten Muskeln, wenn sie zum „Ape Movement“ wechseln (also zu echten Affen verwandeln), sich mit gebeugten Knien fortbewegen und sich auf den Fingerknöcheln abstützen. Neben „Starlight Express“ dürfte „Tarzan“ jedenfalls das physisch anspruchsvollste Musical sein, das derzeit auf einer deutschen Bühne zu sehen ist.
Gut 60 Minuten dauert es, bis aus dem kleinen ein großer Tarzan geworden ist. Kurz vor Ende des ersten Aktes schwingt sich dann Alexander Klaws in der Titelrolle fast durch den ganzen Saal auf die Bühne. Lang ist das Haar, muskulös der freie Oberkörper, sicher die Stimme. Und wenig später tritt auch Tessa Sunniva van Tol als seine Jane das erste Mal auf. Wie sie sich im Regenwald verirrt, sich begeistert zwischen exotischen Pflanzen und Tieren bewegt, die mit Hilfe farbiger Tücher und gelenkiger Darsteller aus dem Boden wachsen oder vom Himmel fallen, das gehört zu den optisch spektakulärsten Szenen des Abends.
Musik von Phil Collins – fern des üblichen Musical-Klangteppichs
Der zweite Akt nach der Pause, er wird ruhiger, wird mehr Musical, manchmal Theater. Denn es wird überraschend viel gesprochen. Die Dialoge wirken zwar selten peinlich, so witzig wie sie manchmal sein wollen, sind sie aber auch nicht. Wichtiger aber ist die Musik, die in diesem Fall bekanntlich von Phil Collins stammt und wahrscheinlich deshalb nicht immer nach klassischem Musical sondern oft einfach nach Phil Collins klingt – selbst wenn das Ensemble sie noch so gekonnt interpretiert. Fans des ehemaligen Genesis-Frontmanns wird das nicht stören, nur wer eine Aneinanderreihung von Hits oder einen Andrew Lloyd-Webber ähnlichen Klangteppich erwartet, könnte ein wenig enttäuscht sein.
Am Ende, wenn (fast) alles wieder gut ist im Dschungel, hat man allerdings ohnehin kaum Zeit, darüber nachzudenken, dass die Optik an diesem Abend zeitweise über den Gesang triumphiert. Denn wenn der erste Vorhang gefallen ist, alle Darsteller dann aber natürlich noch einmal auf die Bühne kommen – aus der Tiefe des Saales heranfliegen, durch die Gänge jagen, tanzen und sich freiwillig zum Affen machen – dann merkt man, was man in den vergangenen drei Stunden (inklusive 20 Minuten Pause) gesehen hat. Nämlich: Die spektakulärste Show, die es im Oberhausener Metronom-Theater bisher gegeben hat.