Berlin. . Was hat Martin Luther eigentlich mit seinen 95 Thesen gewollt? Wir haben leicht gekürzt und liefern zehn Thesen, was man über Luther wissen sollte.
Luther ist in aller Munde. Am Montag, dem Reformationstag, läuten die evangelischen Christen mit dem Start ins Luther-Jahr 2017 die Gedenkfeiern ein, mit der sie an die Geburtsstunde des Protestantismus erinnern: Am 31. Oktober 2017 veröffentlichte Martin Luther in Wittenberg 95 Thesen gegen den Ablasshandel und Missstände in der Kirche. Damit löste der Augustiner-Mönch Luther die weltweite Reformation aus, die zur Spaltung der Kirche führte.
Luther und das Geld
„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“ So heißt es zu Luthers Zeiten. Gemeint ist der Ablasshandel – wer einen kräftigen Obolus an die Kirche zahlt, kann sich damit von seinen Sünden freikaufen. Die harsche Kritik Luthers an diesem „Schacher um die menschliche Seele“ bildet den Nukleus für seinen Kampf gegen die katholische Kirche. „Der Papst kann nicht irgendeine Schuld erlassen“, urteilt Luther 1517 in seinen 95 Thesen, die eine Abrechnung mit dem Ablasshandel darstellen. Das Volk werde durch die Amtskirche „betrogen“. Der versprochene Sündenerlass – alles nur „Lug und Trug“. Dem Papst empfiehlt Luther stattdessen „den Verkauf der Basilika des Heiligen Petrus“. Das ist der Frontalangriff auf die Autorität des Papstes.
Luther und der Papst
Das Papsttum zu Luthers Zeiten – das ist kein Ruhmesblatt für die katholische Kirche. Im Vatikan herrschen Korruption und Vetternwirtschaft, Prunksucht und Machtgier. Mancher Mittelalter-Papst schreckt vor Mordkomplotten nicht zurück. Und da kommt dieser junge Mönch aus dem Norden, der ihnen ans Geld will. Mehr noch als in seinen 95 Thesen gibt Luther 1520 in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“ dem weitverbreiteten Unmut über die Kirche ein Ventil. Rigoros listet er die Missstände auf – vom Ablasshandel über den Priesterzölibat bis zur Prunksucht der Päpste. Doch es geht Luther um noch mehr. Er rüttelt an den Grundfesten des katholischen Glaubens.
Luther und sein Glaube
Der Mensch kann nicht durch seine guten Werke vor Gott bestehen, sondern allein aus seinem Glauben (sola fide). Dieser Gedanke wird zum Kernstück von Luthers Theologie, ja der gesamten Reformation. Gott nicht als strafender Richter über das Seelenheil des Menschen und seine frommen Taten, sondern als gnädiger Retter derer, die fest im Glauben sind. Das steht im Widerspruch zur geltenden Lehre der Papstkirche. Damit nicht genug. Luther will auch die sieben Sakramente, eine weitere zentrale Position der Amtskirche, auf zwei zusammenstreichen. Und noch mehr: Für Luther steht der einzelne Gläubige in einer direkten Beziehung zu Gott, der Gläubige sei somit Priester. Damit verliert die Kirche ihre Funktion als Mittlerin zwischen beiden. Luther stellt folglich die Funktion des Priesters und letztlich die Stellung der Kirche infrage.
Luther und die Katholiken
Zwischen 1517 und 1521 muss sich Luther mehrmals vor Fürsten, Reichsständen und Gesandten des Papstes verantworten. Als er den Widerruf verweigert, wird er im Januar 1521 von Papst Leo X. exkommuniziert. Kurz darauf verhängt Kaiser Karl V. die Reichsacht über ihn – Luther ist nun vogelfrei. Der Bruch war nicht mehr zu kitten, stattdessen führten Luthers Lehren zur Spaltung der Christenheit, die bis heute andauert.
Luther und die Machtfrage
Luthers Reformation ist keine weltliche Revolution. Seine Revolte ist religiös begründet – nicht politisch. Er will kein Aufbegehren gegen die weltliche Obrigkeit. Als 1524 die Bauern gegen soziale Missstände revoltieren, grenzt sich Luther von ihnen ab und nennt sie „räuberische und mörderische Rotten“. Gleichwohl wurde die Idee der Erneuerung der Kirche alsbald zum Spielball politischer Interessen. Knapp ein halbes Jahr nach dem Tod Luthers 1546 gibt es die erste kriegerische Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten.
Luther und die Juden
Es ist das dunkelste Kapitel der Luther-Geschichte. 1543 veröffentlicht er seine Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“, in der er den Fürsten Ratschläge erteilt, wie sie „mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden“ umspringen sollten. Nämlich: ihre Synagogen anzünden, ihre Häuser einreißen und die Juden selbst „wie die Zigeuner“ in Lager verbannen. Luther schließt sich damit dem damals weitverbreiteten Judenhass an. 400 Jahre später werden sich die Nazis auf Luther beziehen, als sie den Holocaust planen. Julius Streicher, Herausgeber des NS-Hetzblattes „Der Stürmer“, beruft sich bei den Nürnberger Prozessen auch auf Luthers Erbe. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht sich Ende 2015, also schon weit im Vorfeld des Luther-Jahres 2017, veranlasst, eine „notwendige Erinnerung“ zu veröffentlichen. Darin heißt es, die EKD verschließe „die Augen nicht vor Fehlern und Schuldverstrickungen der Reformatoren“.
Luther und die Sprache
Es ist ungemütlich auf der Wartburg, zugig und kalt. Doch trotz aller Widrigkeiten erschafft Luther in den zehn Monaten, die er 1521 in dem Gemäuer in Eisenach verbringt, sein eigentliches Opus magnum: Binnen nur elf Wochen übersetzt er das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche – und treibt damit die Schaffung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache voran. Vier Jahrhunderte später wird der Schriftsteller Thomas Mann urteilen, Luther habe „durch seine gewaltige Bibelübersetzung die deutsche Sprache erst recht geschaffen“. Zu Hilfe kommt ihm dabei Gutenbergs revolutionäre Buchdruck-Technik. So erreicht das Buch für jene Zeit sensationelle Auflagen. Und: Durch die volksnahe Sprache Luthers verliert die Amtskirche die Deutungshoheit über die Bibel. Das des Griechischen und Lateinischen unkundige Volk kann nun selbst die Texte der Heiligen Schrift nachlesen – und für sich selbst auslegen.