Herne. . Die neue Ausstellung im LWL-Archäologiemuseum bietet über 400 „Schätze“. Und einen Überblick über die bewegte Geschichte des Landes.

Die klassische Dreiteilung unserer Vorgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, wie sie die Archäologen vornehmen, braucht im Blick auf Vietnam eine Erweiterung. Dort gibt es nämlich auch noch die Bambuszeit. Die begann in der Steinzeit – und ist immer noch nicht ganz zu Ende. Schließlich ist auch der wie eine Reliquie verehrte Korb, mit dem das Staatsoberhaupt Ho Chi Minh einst höchstpersönlich beim Wiederaufbau des kriegsverheerten Landes Hand anlegte, aus Bambus. Schon in frühester Zeit waren Häuser, Zäune, Werkzeuge und Musikinstrumente in Vietnam aus Bambus.

Der Haken daran, aus archäologischer Sicht: Bambus hinterlässt, anders als Stein, Bronze und Eisen, keine Spuren, sondern löst sich zu Biomasse auf. Kein Wunder also, dass unter den ältesten Grabungsfunden aus Vietnam vor allem (steinerne) Werkzeuge zur Bambusbearbeitung sind. Zusammen mit Ho Chi Minhs Körbchen sind solche Raritäten nun im Archäologischen Museum in Herne zu bestaunen: Die neue Sonderausstellung „Schätze Vietnams“ versammelt Kostbarkeiten von zwei Dutzend Fundorten zwischen Nord- und Südvietnam, über 400 Objekte, die zum Teil extra für die Ausstellung ausgegraben wurden, wie deren Chefkurator Andreas Reinecke versichert.

Doch das spektakulärste Ausstellungsstück ist in Herne gefertigt worden, wiegt fast eine Tonne und ruht auf einem Gerüst aus der RAG-Ausbildungswerkstatt: Der Nachbau eines acht Meter hohen, fünf Meter breiten Tempeltors der Cham-Kultur, die sich ab dem 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Vietnam etablierte, ein Handel treibendes Seefahrervolk mit gelegentlicher Neigung zur Piraterie war und für seine Bauten Ziegelsteine mit Baumharz verklebte.

Nachhilfe-Unterricht in vietnamesischer Geschichte

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Herne bietet einen fast spielerischen, anschaulichen Nachhilfe-Unterricht in vietnamesischer Geschichte und Kultur. Wer weiß schon, dass Nordvietnam fast ein Jahrtausend lang von Chinesen besetzt war? Mit ihnen hielt auch der Konfuzianismus Einzug, ansonsten glaubte Vietnam eher hinduistisch bis buddhistisch.

Beeindruckend sind vor allem die teilweise riesigen, meist aus Bronze bestehenden, mit künstlerischen Ornamenten übersäten Trommeln, die überall im Land Jahrtausende lang für einen unverwechselbaren Klang sorgten – Renommierobjekte der vietnamesischen Elite, die mit dem Tod ihres Besitzers verstummten: „Und kein einziges Instrument“, versichert Ausstellungsleiter Reinecke, „ist wie das andere!“ Und weist auf ein Kranich-Symbol, das die prächtigste der ausgestellten Trommeln in einem der vielen Symbolkreise umringt: „Das da haben die Stewardessen der vietnamesischen Fluglinie auf dem Revers.“

Fünf Baumsärge

Die Ausstellung dokumentiert auch den spektakulären Fund von fünf Baumsärgen, die zunächst als Boote gedient hatten, und zieht immer wieder Linien bis in die Gegenwart. Was schon deshalb nahe liegt, weil einige der urzeitlichen Handwerkstechniken bis heute gepflegt werden. So warten hölzerne Gebrauchsdinge in einem Bambus-Zimmer darauf, ausprobiert zu werden. Und im „Epilog“ der Schau ist zu erfahren, dass die Deutschen erstmals 1779 von Vietnam erfuhren, das damals noch Tunkin und später Tonkin genannt wurde. Und dass manche DDR-Arbeiter auf drei Prozent ihres Monatsgehalts verzichteten, um das rote Vietnam im Kampf gegen die USA zu unterstützen.