Essen/Hümmel. . Peter Wohlleben, Förster und Autor, führt mit seinen Bestseller-Büchern die Gesellschaft zu ihren Wurzeln zurück.

Im Herbst, wenn die Blätter fallen, steht die Nordamerika-Tour an. Mitte September erscheint „The Hidden Life of Trees“ in den USA; schon vorab hatte die New York Times dem schreibenden Eifel-Förster Peter Wohlleben und seiner Sorge um den „kaputen forest“ eine ganze Seite gewidmet. Jetzt wird Wohlleben also zwischen New York und Vancouver unterwegs sein, zehn, zwölf Tage. Einladungen nach Dänemark, Schweden, England, Italien, Polen, Russland hat er ebenfalls erhalten, nur: So viel Urlaub kann er sich gar nicht geben. Der Wald geht vor.

Über eine halbe Millionen Mal hat sich „Das geheime Leben der Bäume“ in Deutschland verkauft und ist nur deshalb nach einem Jahr von Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste auf die zwei gerückt, weil Wohlleben nachgelegt hat: Und sich mit „Das Seelenleben der Tiere“ gewissermaßen selbst von der Spitze drängte. Ob er eigentlich schon mal überlegt hat, wie viele Bäume für seine Bücher sterben mussten?

Naturnahe Forstwirtschaft

Das Lachen des 52-Jährigen ist warm und tiefenentspannt. Wenn er aus dem Fenster sieht, sagt er am Telefon, dann schaut er auf Wald, Wiesen „und die eine Straße, die hier zu uns führt“. Seit über 20 Jahren ist Wohlleben Förster in der Eifel-Gemeinde Hümmel. Hier hat er seinen Kampf für eine naturnahe Waldbewirtschaftung gefochten und gewonnen, hat seine Beamtenstelle bei der Forstverwaltung gekündigt und mit der Gemeinde gemeinsame Sache gemacht. Nun wachsen Buchen statt Fichten in seinem Forst, und das ganz ohne Chemie. Wenn die Bäume gefällt werden, ziehen Pferde statt schwerer Maschinen die Stämme durch den Wald. „Sie haben natürlich recht“, sagt Wohlleben, „Papier besteht aus Holz. Aber wenn die Leute nicht meine Bücher lesen würden, würden sie vielleicht andere lesen.“

Nein, Wohlleben ist kein Spinner. Kein Bäumeflüsterer. Aber er ist ein Mann mit Geschichte, einer Geschichte, die die deutsche Waldromantik zurück zu ihren Wurzeln führt. Denn er selbst hat ja, als junger Forstwirt, „Bäume nur noch als Bretter gesehen“. Erst als die Gemeinde Hümmel einen Ruheforst für Urnen-Bestattungen eröffnete, haben ihm Stadtmenschen die Augen geöffnet: Weil die die Stämme liebten, die so krumm waren wie ihr eigenes Leben, und tiefhängende Äste als Schutz empfanden – „dabei sind krumme Stämme und tiefe Äste holztechnisch eine Katastrophe“. Wohlleben merkte: „Natürlich, der Baum wächst ja nicht, um als Brett zu enden. Sondern ist ein wunderbares Lebewesen.“

Wie wunderbar, das schreibt er in seinem Buch: Wie Bäume sich unterirdisch vernetzen, sich über die Wurzeln gegenseitig mit Nährstoffen helfen oder sich mit Duftstoffen vor Schädlingen warnen. Wie befreundete Bäume sich gegenseitig in den Kronen Platz lassen, aber Buchen durchaus das „Gruppenkuscheln“ mögen. Was Wohlleben schreibt, fußt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und gibt dem Wald zugleich sein Geheimnis zurück: weil wir so vieles noch nicht wissen über die Kommunikation und Vernetzung von Pflanzen und Tieren. Wohllebens Rückbesinnung auf das Ursprüngliche, vom Menschen nur behutsam Gestaltete spiegelt – womöglich, nimmt man seinen Erfolg zum Maßstab – eine sehr moderne Sehnsucht: Denn im leisen Wälderrauschen spannt die deutsche Seele ihre Flügel aus, hier trifft sie auf Schillers Räuber, Hänsel und Gretel, den Freischütz oder auch Joseph von Eichendorff, der still die Erde küsst.

Das Seelenleben der Tiere

„Das geheime Leben der Bäume“ war nicht das erste Buch Wohllebens über den Wald, aber das erste, in dem er nicht kämpferisch gegen die traditionelle Forstwirtschaft wetterte – sondern „einfach nur mal erzählte, was für tolle Lebewesen Bäume sind“. Der Effekt: „Jetzt plötzlich üben meine Leser Druck auf die Forstverwaltungen aus, schonender mit dem Wald umzugehen.“

Wäre es nicht großartig, wenn man so viel Gutes auch an anderer Stelle bewirken könnte? Wohllebens neues Werk über „Das Seelenleben der Tiere“ präsentiert auf den ersten Blick ebenfalls aktuelle Forschungen aus der Tierwelt. Bei genauerem Hinschauen aber ist das Buch nichts Geringeres als der Versuch, den Tieren endlich die Seele zuzusprechen, die die Nahrungsmittelindustrie dem Mastschwein als solchem weiterhin aberkennt. Die Gefühlswelt der Tiere, argumentiert Wohlleben, sei genauso komplex wie jene des Menschen – vermutlich, denn auch die menschlichen Emotionen seien keinesfalls erschöpfend erforscht. Bislang verkaufte sich das Buch 130 000-mal, Tendenz stark steigend.

Was macht der Erfolg mit dem Leben eines Försters? „Seit einem Jahr habe ich ständig das Gefühl, ich muss mich mal kneifen.“ Niemals aber würde er das Leben im Wald gegen das Leben eines reisenden Erfolgsautors tauschen wollen: „Natürlich ist es schön, mit den Büchern Geld zu verdienen. Aber meine Frau und ich hatten vorher schon das Leben, das wir führen wollten. Meine Wurzeln sind hier.“

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt. Ludwig Verlag, 224 S., 19,99 €. Das Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt. Ludwig, 240 S., 19,99 €

www.peter-wohlleben.de