Oberhausen. . Der Filmmusik-Komponist beeindruckt mit seiner ersten Konzert-Tournee 10 000 Fans in Oberhausen
Mit Zimmerlautstärke kennt er sich aus – doch diesmal vibrieren die Armlehnen und das Bier im Becher schlägt kleine Wellen, wie im „Jurassic Park“, wenn der Tyrannosaurus um die Ecke biegt. Aber die berühmten Klänge seines Kollegen John Williams spielt der Filmmusik-Magier Hans Zimmer an diesem Drei-Stunden-Abend für 10 000 Fans natürlich nicht. Schließlich hat der in Frankfurt geborene Maestro mehr als 120 Kinofilmen die Flötentöne beigebracht.
Aber Hans Zimmer ist schon eine Art Tyrannosaurus der Filmmusik-Branche. Seine Klangteppiche strotzen oft von Testosteron-getränktem Bombast. Wenn andere abdrehen, setzt Zimmer noch einen drauf. Dafür gewann der 58-Jährige den Oscar, wurde zehn Mal dafür nominiert – sein Name funkelt auf einem Stern am Hollywood Boulevard. Zimmer, der bereits als Kind aus Deutschland wegzog und in England aufwuchs, spielte Ende der 70er-Jahre die Synthies bei der New-Wave-Band „Buggles“ („Video Killed The Radio Star“), bevor er nach Hollywood ging. Seit 34 Jahren schreibt er in der Traumfabrik Filmmusik. Jetzt ist er zum ersten Mal überhaupt auf einer Konzert-Tournee – und nichts läuft nach Drehbuch. Hans Zimmer hat im Unkonventionellen sein Glück gefunden. Der Mann, der offenbar eine Fernbedienung für Gänsehaut bei Kinobesuchern hat, läuft zum Auftakt fast schüchtern ans Piano, bevor er mit seinem 70-Mann-Orchester ins Schlachtgetöse aus „Gladiator“ zieht.
Orchester und Chor verschmelzen samt Bass und Synthesizern mit aggressiven Stroboskop-Lichtkegeln. Das führt die Akustik der Arena an ihre Belastungsgrenze, doch die Experimentierfreude geht auf. „Fluch der Karibik“, „The Dark Knight“, „Da Vinci Code“, „The Amazing Spiderman“ und „Interstellar“. Riesenjubel! An Zimmers Seite: Gitarrist Johnny Marr, der mit Morrissey die britische Indie-Legende „The Smiths“ gründete, und Mike Einziger von der amerikanischen Crossover-Band „Incubus“.
Und doch gibt es auch ruhige, selige Momente: Wenn Zimmer am Piano „Inception“ spielt, wenn sein Oscar-preisgekrönter „König der Löwen“ schnurrt. Oder wenn er sein Programm über den Haufen wirft und im Meer der Handy-Displays „Purple Rain“ improvisiert, um an den Musik-Giganten Prince zu erinnern. Erst durchgeschüttelt, dann gerührt, wischten sich etliche Fans Tränen aus den Augen. Hans Zimmer hat die Emotionen aus seinen Kinostreifen abgerufen – ohne dass auch nur ein einziger Schnipsel Film über die Leinwand flackerte.