Düsseldorf. . Martin Schläpfer präsentiert in der jüngsten Arbeit seines Balletts am Rhein feingesponnene Bildergeschichten. Aber auch Jooss berühmten „Grünen Tisch“.
Zu zweit, zu dritt, zu viert oder in größeren Gruppen eilen, fliegen oder drehen die Bewegungs-Artisten durch den Kosmos. Immer wieder verändern sich die Konstellationen, wenn Martin Schläpfer seine Tänzer auf die Reise quer über die Opernbühne schickt.
In seinem neuen Opus ‚Variationen und Partiten’ – dem Herzstück des neuen Ballettabends „b.27“ - werden sie angetrieben von tänzerischer Klaviermusik. Von Beethovens 12 Variationen über das Menuett „A la Vigano“ (aus Jakob Haibels Ballettkomödie „Le nozze disturbate“/Gestörte Hochzeit) und von Bachs tänzerisch wiegender e-Moll-Partita. In einen Rausch von zarten, manchmal schwerelos heiteren Tanzbildern setzt Düsseldorf/Duisburgs Chef-Choreograph besonders die selten gespielten Beethoven-Variationen. Live am Steinway kredenzt von Denys Proshayev, der sich in Tempo und Dynamik, wie ein feinnerviger Lied-Begleiter, den Tanzfluss stets im Blick hat.
Bestechend originelle Bilder
In dieser Uraufführung – Schläpfers einziger in der laufenden Saison – bestechen erneut seine originellen Bilder-Geschichten über Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Sie sprühen vor poetischer Zartheit und hintergründigem Humor. Die Miniaturen, in denen seine Tänzer-Persönlichkeiten mit Emotionen kämpfen, dabei kreisen, wie Luftgeister huschen oder mit physischer Präsenz auftrumpfen, fügen sich wie von Geisterhand gelenkt zusammen. Und bewirken, dass der Zuschauer leichten Fußes und mit leichter Seele das Opernhaus verlässt.
Wenn Schläpfer damit auch nicht ein Meisterstück (wie 2010 mit dem „Forellenquintett“) gelingt, so beflügeln seine exzellent trainierte Kompanie und Bravour-Athleten in netzartigen Trikots und in gleitenden Pas-de-deux, Pas-de-trois etc. die Fantasie. Barfuß oder auf Spitzenschuhen, die manchmal wie Werkzeuge eingesetzt werden. So im Schlussbild, in dem einige Tänzer in einem Lichtkegel nach der Erleuchtung oder dem göttlichen Strahl suchen. Und der Suchende unter Spitzenschuhen begraben wird. Als tragikomische Virtuosen brillieren Julie Thirault und Alexandre Simoes, wie auch Schläpfers langjährige Muse Marlúcia do Amaral und Marcos Menha, der im Essener Aalto kürzlich mit dem Deutschen Tanzpreis Zukunft ausgezeichnet wurde.
Exzellente Tänzer
Menha mit seinen noblen Linien und Spitzen-Virtuosin Ann-Kathrin Adam überzeugen ebenso in Balanchines „Duo Concertant“. In diesem gediegenen Klassiker (1972) lässt sich ein Tanz-Paar von einem Geiger und einer Pianistin inspirieren. Sie kommen und gehen, lassen Sprünge, Hebungen und Drehungen kurz aufblitzen und verschwinden wieder, Arm in Arm.
Finale mit Kurt Jooss’ Kult-Stück„Der grüne Tisch“
Der Schluss von „b.27“ überrascht; denn Kurt Jooss’ Antikriegs-Ballett „Grüner Tisch“ (1932 in Essen uraufgeführt) stand bislang nicht auf dem Rheinopern-Spielplan. Eine Herausforderung für Schläpfers Artisten. Doch sie rekonstruieren intelligent das Kult-Stück, in dem Jooss zeigt, dass es im Krieg – bis auf die Herren in Schwarz – nur Verlierer gibt. Der Tod (Chidozie Nzerem), Fahnenträger (Friedrich Pohl), der Schieber (Sonny Locsin), der junge Soldat (Brice Asnar): Alle bieten die spezielle Ästhetik des Tanztheaters der frühen 1930er. Und ernten dafür den meisten Applaus des Drei-Stunden-Abends.