Die Fotografische Sammlung im Essener Museum Folkwang zeigt "Frankierte Fantastereien" - Postkarten von Profis und Amateuren. Und das Plakatmuseum meldet sich mit der Schau "100 Beste Plakate" zurück

Essen. Wer Postkarten langweilig findet, dem kann geholfen werden. Denn was die Fotografische Sammlung ab heute im Essener Museum Folkwang zeigt, hat mit Muttis gesammelten Kartengrüßen von Tante Änne aus Bad Ems wenig zu tun. Sieht man einmal vom rechteckigen Format ab.

Zu sehen ist vielmehr eine etwa 500-teilige Tour d'Horizon durch die fotografische Kleinkunst, von der sich aber auch viele der Großen inspirieren ließen.

So stoßen im Dämmerlicht des auch während der Neubauphase immer wieder fleißig bespielten Folkwang-Altbaus die Namens-Fetischisten auf Fotoarbeiten von Man Ray, El Lissitzky, Dora Maar, Miró oder Magritte. Hannah Höch ist gleich mit einer ganzen Reihe ihrer surrealen Fotomontagen aus den 20er und 30er Jahren vertreten.

Mindestens genauso spannend sind jedoch die witzig-ironischen oder einfach nur skurrilen Schätzchen namenloser oder längst vergessener Amateurfotografen. Denn Retusche, Montage oder verfremdende Verzerrung waren nicht nur Spezialität von Profis oder Studios. Wirklichkeit und Fiktion, Mode und Zeitgeist spürt man in dieser Liebe-Grüße-Schau passend zur sommerlichen Reisezeit ebenso nach, wie den frech-frivolen Dokumentationen des Ballermanns von vorgestern. Da lag Chalon sur Saône durchaus schon mal im Studio, das flotte Boot mit den beiden hübschen Damen war pure Imagination auf Canvas.

Bei aller Freude, die das Stöbern zwischen Wänden und Vitrinen macht: Was Kurator Clément Chéroux vom Pariser Centre Pompidou in den "Frankierten Fantastereien" - so der Titel der Schau - beziehungsreich gegenüber und nebeneinander stellt, ist auch eine Geschichte von Impuls und Reaktion, von populärer Imagination mit unmittelbarem Gebrauchswert und künstlerischer Fotografie.

Im Mittelpunkt stehen dabei die große Sammlung von Gérard Lévy aus Paris und die Hamburger Kollektion von Peter Weiss. Sammel-Alben mit Fantasie-Postkarten von Paul Eluard, u. a. mit einem frechen Profil der großen Sarah Bernhardt, ruhen in Vitrinen. "Geblättert" wird daneben - elektronisch. Entspannend für die Augen und zugleich Fundgrube für Details: der Dia-Raum. So großformatig sieht man u. a. die verzerrten Stadtansichten von Eugène Le Deley aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, also lange vor Photoshop, demnächst wohl nicht mehr. Denn Folkwang ist nach dem Fotomuseum im schweizerischen Winterthur und dem Pariser "Jeu de Paume" die letzte Station dieser spielerischen Schau.

Gleichzeitig meldet sich heute das Deutsche Plakatmuseum (DPM) im Museum Folkwang zurück. Dieses Mal zwar nicht mit eigenen Exponaten dieser mit 340 000 Exemplaren größten europäischen Sammlung ihrer Art, sondern mit Aktuellem aus der Plakatszene in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Denn das DPM ist langfristiger Kooperationspartner des Berliner Vereins "100 Beste Plakate", der nach der spektakulären Präsentation im Saana-Bau der Zollverein-School im vergangenen Jahr nun erstmals die Gewinner unter dem Folkwang-Dach präsentiert.

Dabei reicht das Spektrum vom fast klassisch-grafisch gestalteten Theaterplakat bis zu Großformaten, die das wellenförmige Emblem von Pepsi-Cola auf eine eindrucksvolle Gebirgslandschaft oder die wogende See übertragen. Natürlich in Blau-Weiß-Rot, der Pepsi-Trikolore.

Arbeiten klassischer Werbeagenturen oder Grafik-Büros hängen einträchtig neben studentischen Produkten, die etwa ein Viertel dieser 100 Besten ausmachen. Dass dabei Kriterien und Anforderungen nicht immer vergleichbar sind, mag ein Manko im Verfahren und so auch bei der Vergleichbarkeit der Arbeiten sein. Hinzu kommt, dass auch die Berliner Jury jährlich wechselt. Dennoch zeigt die wie eine Installation aus variablen Blöcken gestaltete Schau in den hellen Räumen einen repräsentativen Querschnitt der Gattung - und vor allem auch neue Tendenzen. Da ist vor allem die Rückkehr der Grafik zu vermelden - und teilweise ein Retrotrend in der Ästhetik. Vielleicht am deutlichsten zu sehen bei einer Plakatserie für klebrige Kaubobons: Das Produkt eingebettet in Märchenszenen von Anno dazumal.