Essen. . Der Staatsfeminismus kann den drohenden Weltuntergang nicht abwenden und Verjüngungspillen helfen nicht gegen Rückwärtsgewandtheit: Karen Duves neuer Roman „Macht“ reist ins Jahr 2031.

Ob wir die Schriftstellerin Karen Duve bald Kassandra nennen werden? Die, die alles wusste, aber der niemand Glauben schenkte? Im Jahr 2031 zum Beispiel, wenn Fleisch und Sprit mit CO2-Punkten teuer erkauft werden müssen, das aber gar nichts mehr nützt, weil Stürme Hamburg fluten und der Menschheit das Wasser bis zum Halse steht: Dann könnte es so weit sein.

Die Alphatiere an der Spitze von Politik und Wirtschaft machte Karen Duve vor zwei Jahren in der Streitschrift „Warum die Sache schiefgeht“ dafür verantwortlich, die drohende Klimakatastrophe zugleich zu befeuern und kleinzureden. Kernthese: „Frauen sind die besseren Menschen“.

Das Sachbuch entstand aus Recherchen zum Roman „Macht“, der soeben erschien. Dort, im Jahr 2031, aber kann auch der „Staatsfeminismus“ den Weltuntergang nicht mehr abwenden. Stattdessen quälen die Damen das Land auf den letzten Metern noch mit der Fahrradhelmpflicht: „He, tut uns leid, wir wissen zwar immer noch nicht, wie wir den Temperaturanstieg und die Verlangsamung der ozeanischen Strömungen aufhalten sollen... aber bis zum endgültigen Untergang setzt bitte unbedingt eure Fahrradhelme auf, sonst zahlt ihr saftige Bußgelder.“ So ätzt Sebastian Bürger, Duves struppiger Protagonist: ein Rentner, der dank Verjüngungspille Ephebo frisch und knackig wirkt und den Ideen des Feminismus und Vegetarismus gleichermaßen abgeschworen hat. Das Elternhäuschen im Hamburger Vorort hat er zu einer 60er-Jahre-Retro-Feier ausgebaut und auch längst vergangene Machtverhältnisse wieder hergestellt: indem er Ex-Frau Christine im Keller gefangen hält. Das wird für ihn erst zum Problem, als er sich in Elli verliebt – und die durch ein Ungeschick auf Christine trifft. Zwei Frauen im Keller, das ist definitiv eine zu viel.

Schwarz und sarkastisch: Duve, die schon in früheren Romanen einen eher mitleidlosen Blick auf ihr Personal warf, übertrifft sich hier selbst in emotionaler Distanz. Das macht die Lektüre einerseits böse vergnüglich, erstickt andererseits aber jedes Gefühl persönlicher Betroffenheit.

Dabei ist Duves 2031 in vielen Details eine nur leichte Überspitzung der Gegenwart: Wenn an Ungarns Mauer Flüchtlinge erschossen werden, wenn „völlig humorlose und latent gewaltbereite Splitterreligionen wie Pilze aus dem Boden schießen“ und Motorradgangs mit „den alten Werten“ auf die Überholspur gehen – dann scheint die Zukunft so heutig, dass die Flucht in gemütliche Mustertapeten-Gestrigkeit plötzlich wie eine richtig gute Idee aussieht.

Karen Duve: Macht. Galiani Berlin, 416 S., 21,99 €