Gelsenkirchen. Pralle Klassiker-Inszenierung mit einem Schuss Ruhr. Das Publikum feierte Samstag die Neuinszenierung von „The Rocky Horror Show“ am Musiktheater Gelsenkirchen
Das Raumschiff vom Planeten Transsexual ist gelandet, mitten im Ruhrrevier. Und hier residieren der außerirdische Transvestit Frank N. Furter und seine exzentrische Gefolgschaft nicht im prächtigen Gruselmärchenpalast, sondern in einer morbiden Industrieruine. Anarchie mit Stil funktioniert aber auch hier ganz fantastisch. Das Publikum feierte, sang und tanzte die überaus lustvoll inszenierte Premiere des trashigen Musicalspektakels „The Rocky Horror Show“ im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier hemmungslos und völlig verrockt mit.
Diese Show von Richard O’Brien ist Kult, und das seit über vier Jahrzehnten.1973 als Theaterstück uraufgeführt, kam die Horror-Show aber erst in der Filmversion so richtig in Fahrt. Das Publikum entwickelte bizarre Rituale, um das abgedrehte Spiel rund um Sex und Rock’n‘Roll auf der Leinwand live zu begleiten.
Rockige Liveband
Im Kleinen Haus brachte nun der Bayer Johannes Reitmeier seine Sicht auf die pralle Gaudi in bewusster Anlehnung an den Kinoklassiker energiegeladen und elektrisierend auf die Bühne. Dabei kann er sich auf ein ausnahmslos spielfreudiges Ensemble und eine fünfköpfige, rockige Liveband um Wolfgang Wilger verlassen.
Die lokale Verortung im Revier, ein gern genutzter, auch schnell abgenutzter Regiegriff, macht in dieser Produktion zumindest optisch Sinn. Die ruppig-raue Industriekulisse (Bühne: Michael D. Zimmermann) bekommt hier gruseligen Charme. Ein paar Bergleute graben sich zu Beginn vom Zuschauerraum aus in die Szenerie hinein.
Zuschauer wirbeln mit
Als das biedere Pärchen Brad und Janet (schulkinderbrav Tim Al-Windawe und Bele Kumberger) nach einer Autopanne im Regen steht, schießen auch die Zuschauer, einige stilecht in Strapsen, Korsagen und Netzstrümpfen, Wasser aus Einwegspritzen in die Luft. Später werden Klopapierrollen, Konfetti und Bierdeckel durch die Reihen wirbeln.
„Rocky Horror Show“ ist immer auch wunderbar alberner Kindergeburtstag für Erwachsene. Damit nicht Reis und Toastbrote zu Wurfgeschossen werden, gibt es auch im Musiktheater einen Horror-Knigge (nicht mit Lebensmitteln werfen!) und eine Mitspieltüte für sechs Euro mit sämtlichen Requisiten vom Partyhütchen bis zum Klopapier. Wenn das verklemmte Paar auf dem Anwesen des durchgeknallten, sexbesessenen Wissenschaftlers Frank N. Furter landet, der sich im Labor den Lustknaben Rocky (Christian Funk als tumbes, muskelbepacktes Goldstück) geschaffen hat, trifft es auf eine außerirdisch schräge Gesellschaft.
Gemetzel in der Kohlenlore
Der Brite Henrik Wager ist ein aasiger, lasziver Frank mit Machtfantasien und deftigem Humor, der Eddie (Lars Oliver Rühl) in einer Kohlenlore niedermetzelt. Der kleinwüchsige Rüdiger Frank spielt den Diener Riff-Raff mit verwegen knarrender Stimme. Christa Platzer ist eine schrille Magenta und Thomas Möwes‘ ein perfider Dr. Scott, dem immer die rechte Hand böse nach oben schnellt. Joachim G. Maaß ist als Erzähler natürlich gar nicht „langweilig“.
Dieser grelle, temperamentvoll choreografierte Partyspaß rund um so zeitlose Hits wie den „Time Warp“ und um die sexuelle Befreiung, zündet im Gelsenkirchener Musiktheater grandios. Was sich am Ende nicht nur im minutenlangen Jubel widerspiegelt, sondern auch auf dem mit Wurfgeschossen übersäten Boden.
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Schon jetzt zeichnet sich eine starke Nachfrage nach Tickets ab. Karten (40,20 €) für die „Rocky Horror Show“ gibt es unter Telefon 0209-40 97 200.
Nächste Aufführung: 26. Februar. Im März am 3., 4., 16., 17., 19., 20., 23., 24., 26., 28. Viele weitere Termine bis Juli!