Düsseldorf. Oberflächlich, unverbindlich, und politisch viel zu zahm. Guy Joostens Neudeutung von Verdis „Don Carlo“ für die Rheinoper ist ein fades Ärgernis.

Samstag auf der Herrentoilette der Rheinoper, es ist Pause, ein Herr pfeift fröhlich eine Verdi-Melodie. Es ist Musik, die eben zu hören war. Verdi schrieb sie für eine Szene, die Schillers „Don Carlos“ nicht kennt: ein Glaubensgericht, Ketzer brennen.

Aber an diesem Samstag lässt sich schön pfeifen auf den Massenmord. Man kann es dem Herrn nicht übelnehmen. Eine Regie, die erst einen schmucken Kamin über die Opfer stülpt, um dann eine Kaminfeuer-DVD draufzubeamen, wie sollte sie den dramatischen Atem dieser Tragödie mit mehr beleben als Oberflächenpolitur?

Keine Spur von menschlichen Abgründen

Die Meisteroper nach einem Meisterdrama, sie ist in Düsseldorfs Neuinszenierung von einer Flachheit, dass von menschlichen Abgründen zu sprechen schon plastisch die reine Unmöglichkeit ist. Was hat man hier vorher getönt, Szenen aus dem Überwachungsstaat am spanischen Hofe zu zeigen, dazu Studien allgegenwärtigen Misstrauens... Auf der Bühne zu sehen ist ein plumpes (Statisten- und Chorführung), ein todlangweiliges, ein darstellerisch fades (am ärgsten König Philipp!) Unterfangen, dem allen voran die Ästhetik jedes kritische Genick bricht.

Ein Palast wird Modeschmuck

Denn Alfons Flores’ Einheitsbühnenbild in variierender Raumteilung ist eine Adaption des Renaissancepalastes „dei Diamanti“ von Ferrara. Dass die an Diamantenschliff erinnernde marmorne Tausendschaft kleiner Pyramidenquader in Düsseldorf durch permanentes Kitschlicht in fettes Gold, Silber oder Bronze getunkt wird, macht den Effekt zu Modeschmuck. Sänger stelzen, Steine funkeln. Schöne Grüße aus der Herrenboutique.

So verschieden sie sind, so genial verweben Schillers und Verdis Zugriffe auf den „Carlos“ Politik mit Privatem. Guy Joostens Regie verwebt gar nichts. Sie hält sich bei pseudohistorischem Kostüm (Eva Krämer) an einem mageren Häuflein Kniffen fest, zu denen die Erinnerung daran zählt, dass der Infant von Spanien geistig eingeschränkt war. Diesen Dachschaden nervtötend aufdringlich (und für die nächsten dreieinhalb Stunden entsprechend erwartbar) umzusetzen, ist das Los von Gianluca Terranova. Er singt den Titelhelden mit nicht ungefährdeter Attacke, fürs Lyrische ist seine Verausgabung schon zu hart. Sängerisch fallen an dem Abend, durch den unentwegt Mönche geistern, die auf dem Niveau einer Kindergeisterbahn einschüchtern, wenige sehr gute Leistungen auf. Für Begabte wie Olesya Golovneva und Adrian Sampetrean kommen die Partien Elisabeth und Philipp zu früh, es fehlt Reife, Schwere, Größe. Laimonas Pautienius’ Posa lässt die Regie wie einen Operetten-Räuber durch die Gegend stiefeln, mit Sami Luttinens Großinquisitor zählt er zu den eher soliden Stützen.

„Wie im Fernsehen!“

Respekt für Ramona Zaharia! Die rumänische Mezzosopranistin stürzt sich mit Sex-Appeal und saftig slawischem Timbre in die Ebolie-Partie. Hörenswert auch, wie Düsseldorfs Symphoniker unter Andriy Yurkevych ganz ohne aggressiv theatralisches Tosen auf feine Durchhörbarkeit setzen – und, wo nötig, dennoch herrlich pointiert Verdis Schlagwerk huldigen.

„Wie im Fernsehen!“, sagt jemand beim Hinausgehen. Wenn dort die Zukunft unserer Musiktheater liegt, dann wünschen wir einen guten Sendeplatz. Wie wäre es mit der Musikantenscheune?