Düsseldorf.. Seltsam unentschieden im Zugriff, leider auch durchsetzt von angestaubten Avantgarde-Maschen: Ein großer Wurf ist Brechts „Ui“ in Düsseldorf nicht. Freitag war Premiere.
Ist der Schoß fruchtbar noch, aus dem Brechts Hitler-Parabel vom „aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ 1941 kroch? Wie sollte er nicht, wo eine Diktatorenkarriere ins Mafiöse getunkt wird, wo Wirtschaftsbosse Politikgestalter sind, wo die besten Wahlversprechen die leeren sind?
Und doch hat die erste große Produktion des ins „Central“ am Hauptbahnhof exilierten Düsseldorfer Schauspielhauses nicht die Güte, uns im großen Stil von der 2016er-Spielplanfähigkeit zu überzeugen. Dabei ist der Stil groß, verschwenderisch regelrecht, in Volker Hesses Inszenierung. Ein optisches Ereignis ist der Raum: Vor dem Königsdramatischen Shakespeares verneigt sich Stephan Mannteuffels imposante Bühne. In vier Parteien sitzt das Publikum rundum. Mittendrin eine Kreuzung aus Planken: hölzernes Gleichnis der Schmiergeschäfte um Chicagos Kai-Anlagen, Sinnbild einer Laufbahn auf dünn gebohrten Brettern dazu.
Opereinlagen - wie Goldstaub aus der Kunstbüchse
Hesse aber, ein erfahrener Theatermacher, hat einen so ungefähren Zugriff auf diese Diktatorenstudie, dass der Abend „fischig“ ist, wie das Lieblingswort des alten Dogsborough (Hindenburg). Wo man ihn fassen möchte, entgleitet er ins nächste, selten souverän behandelte Genre. Es rächt sich, dass Hesse, 71, Brechts Idee einer Jahrmarktschau gleich zu Beginn zur Seite schiebt. Wie hilfloser Goldstaub aus der Kunst-Büchse singt ein Opernsopran Gedichte Brechts in den Raum. Später werden Göring & Co. ohrenbetäubende Punk-Miniaturen zu röhren haben. Peinsam: Migranten-Statisten halten Bananen feil. Manches umweht Bühnenavantgarde von gestern.
Humorloser Blick auf Hitler
Am meisten aber rächt sich, wie hartnäckig Hesses Regie Brechts Entlarvung Uis/Hitlers als Witzfigur ignoriert. Die pantherhaft-ästhetische Gliederpuppe, als der der nackt schlammgeborene Heisam Abbas den Abend prägt, ist – sprachlich oft monochrom – ein flacher Smoking-Bösewicht. Wo ist Brechts giftiger Witz über den wandelnden Minderwertigkeitskomplex, der Deutschland in den Untergang trieb? Auch die kostbare Szene des Schauspielunterrichts wird nachgerade verschenkt. Manuela Alphons erteilt ihn Ui mit fast gelangweilter Gleichgültigkeit.
Wie ein greiser Kohl im Rollstuhl
Unter dem Druck der Übertragbarkeit zeigefingert Hesse ein Bündel Aktualitäten hervor. Der alte Hindenburg sabbelt im Rollstuhl sein Vermächtnis wie der greise Kohl. Als Badewannen-Barschel endet Andreas Grothgars Sheet – wie Grothgars O’Casey eine Perle präziser Figurenzeichnung. Mit Achim Buchs Größenwahnsinnsstudie des Röhm ist er einer der raren Ausnahmespieler des Abends
Das Abwasser der Eröffnungsszene spülte den Diktator hoch. Das Ende lässt ihn von ganz oben auf uns blicken. Da hat Ui eine Welt im Gully unter sich, und die Migranten weinen. Ein trauriger Abend, aus ganz verschiedenen Gründen.
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