Recklinghausen. Stars und viele neue Stücke, hochkarätig besetzte Klassiker, aber auch Kabarett und Musik: Die 70. Ruhrfestspiele Recklinghausen versprechen einiges.

Vor zwei Jahren waren „Inselreiche“ Themengeber der Ruhrfestspiele. Im Jahr seines 70. Bestehens ist das älteste Revierfestival nun noch näher am Wasser gebaut. „Mare nostrum?“, das alte Wort der Römer fürs Mittelmeer, gibt die dramatischen Gezeiten vor. Mittelmeer, ist das jetzt Dolce Vita oder Überfischung? Tapas oder Odyssee? Abschiebung oder „Mein Schiff“?

Alles, sagt Frank Hoffmann. Und so hat der Erfolgsintendant, der vielleicht kein Weltregisseur sein mag, aber ein cleverer Kompositeur und begnadeter Strippenzieher, diesen Festspielgeburtstag mit einem Reichtum mediterraner Kulissenfarbe ausgepinselt, der wenig Wünsche offenlässt.

Eröffnung 2016 mit dem Wiener Burgtheater

Das Mittelmeer spiegeln: Autoren und Themen von Calderon bis Pasolini, von Aischylos bis zu Shakespeares unglücklich verliebten Italienern „Romeo und Julia“. Oder jener berühmte Goldoni, der die Festspiele am 3. Mai eröffnet. „Der Diener zweier Herren“, erste Theaterliga, mit Peter Simonischek und dem Wiener Burgtheater. Dessen Intendantin ist, welch eine Fügung, gebürtige Recklinghäuserin: Karin Bergmann war bei der Programmverkündung am Dienstag da – und erinnerte sich sogar an den ersten Spatenstich fürs Festspielhaus. Den tat Papa Heuss, das war 1960 — und Frau Bergmann ein kleines Mädchen.

Was bringen die Spiele noch?

Großes Theater

Es wird der 2016er Jahrgang üppig und aller Wahrscheinlichkeit nach unkonventionell. Die Orestie erzählt Regiestar Romeo Castelluci neu. Erfahren in wuchtiger Weltliteratur von Parsifal bis Gilgamesh bürgt er für hellsichtig Verstörende. Ab 19. Mai - und ab 16 Jahren! Lauter große Stoffen folgen: Houllebecqs Unterwerfung deutet Karin Beier mit Edgar Selge ab 27. Mai. Das dramatische Paar Aischylos und Jelinek ( Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen ) erkundet ab 24. Mai Leipzigs Schauspiel in einer Riesenproduktion. Und Herbert Fritsch, der seinen Theaterzirkus einst in Oberhausen übte, naht von Berlins Volksbühne, die Johannes-Apokalypse zu inszenieren. Ein Schelm, wer am 9. Juni eine Zappel-Philippika erwartet.

Große Namen

Auch weniger Quotenträchtiges, die Ruhrfestspiele sind darin geübt, wird mit den rechten Namen zu Magneten. Um seine eigene Inszenierung von „Das Leben ein Traum“ (ab. 10. Mai) schart Intendant Hoffmann erneut Prominente. Es spielen: Hannelore Elsner, Dominique Horwitz , Wolfram Koch... Das süße Leben erkunden in Liedern und Texten (2 x am 22.Mai) Etta Scollo und Joachim Krol. Stars adeln den längst zum eigenen Klassiker gewordenen Reigen der Lesungen: Günter Lamprecht , Dienstag mit einem charmant-bescheidenen Grußwort zugegen, lässt Pirandello sprechen, David Bennent leiht Lorca seine Stimme. Es lesen Robert Stadlober und Fritzi Haberlandt. Der grandiose Ulrich Matthes ist auch wieder dabei, sicher wieder bald ausverkauft, wie immer. Diesmal hat er Pasolini im Gepäck.

Viel Neues auf dem Hügel

17 Uraufführungen wird es bei den Ruhrfestspielen 2016 geben. Ein neues Stück des nunmehr 90-jährigen Tankred Dorst gehört dazu. Dienstag kam auch er ins Festspielhaus und ließ hintersinnig leise verlauten, dass er sich über Besucher freue, wenn er „Das Blau an der Wand“ freilege. Noch ein Altmeister: Adolf Winkelmanns neuer Film hat Premiere zu den Ruhrfestspielen, und reichlich Junge Autoren werden gespielt. Außerdem tingelt das schon legendäre „Rimini-Protokoll“ quer durchs Ruhrgebiet

Zelte und andere Orte

Die Festspiele bleiben luftig dezentral. Es gibt reichlich Kabarett und Weltmusik im Zelt, es lockt Klassik im Freien, dazu 104 Veranstaltungen beim bekennend schrägen Fringe-Festival an vielen Spielorten. Marls Theater wird 2016 einen Ballettschwerpunkt beheimaten. Revier-Star Bridget Breiner bringt dort mit „Prosperos Insel“ ihre jüngste Choreographie heraus. Überhaupt wogt überall auf der Bühne brisantes, sinnliches Mittelmeer. Oder um es mit Frank Hoffmann zu sagen: „Wir machen im Theater Politik, während ich den Eindruck habe, dass immer mehr Politiker Theater machen.“

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Bei den Ruhrfestspielen vom 1. Mai bis 19. Juni gibt es 106 Produktionen in 303 Veranstaltungen an 18 Spielstätten.

Der Kartenvorverkauf startet am Donnerstag, 21. Januar, 9 Uhr. Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen oder direkt bei den Festspielen: Tel. 0 23 61-9 21 80. www.ruhrfestspiele.de