Essen. . David Bowie, der im Alter von 69 Jahren gestorben ist, hat der Popwelt den Glamour gebracht und Generationen aus dem Grau befreit. Ein Nachruf.

David Bowie ist von uns gegangen. Wenn einen diese Nachricht nicht so träfe, als wäre gerade ein Stern vor unseren Augen implodiert, würde man vielleicht mit ei­nem sanften Lächeln auf den Lippen über diese Nachricht scherzen: Welcher denn? Hat Major Tom jetzt endgültig den Kontakt zur Ground Control verloren? Ist der feuerköpfige, glitzernde Ziggy Stardust auf die finale Tour mit seinen „Spiders From Mars“ gegangen? Oder wurde seine Glam-Reinkarnation Alladin Sane vom rotblauen Blitz getroffen? Hat der Thin White Duke sich endgültig von den Drogen überwältigen lassen? Hat der Weißclown aus dem „Ashes To Ashes“-Video die Manege verlassen?

Die vielen Gesichter, die vielen Verkörperungen des David Bowie, man könnte sie endlos fortsetzen und würde nur an der Oberfläche kratzen. David Bowie war ein Mensch gewordener Außerirdischer, der Millionen junger, per­spektivarmer Menschen aus dem Vorstadt-Grau der frühen 70er-Jahre herausriss und entführte in eine bunte Fantasiewelt, in der eine Reise zum Mond und zum Mars nur der Anfang war. Seine chamäleonhaften Wandlungen waren keine Bühnenpose, sondern sie schrien die Botschaft in die Welt: Du muss nicht der bleiben, als der du geboren wurdest, du kannst alles sein, was auch immer du willst. Was eine unglaubliche Befreiung gewesen sein muss in einer Welt, in der die Eltern so etwas wie Selbstverwirklichung noch als verrücktes Hippiezeug abtaten. Eine Botschaft übrigens, die dank ihres Einflusses auf die Popkultur heute oft viel selbstverständlicher erscheint, als sie vor Jahrzehnten noch war. Und die sich auch auf die sexuelle Identität ausweiten ließ: Bowie wandelte zwischen den Geschlechtern, trug Lackfummel und Federschmuck, bekannte sich offen zu seiner Bisexualität und wurde, Schock und Skandal, angeblich einst mit Mick Jagger im Bett erwischt – was aber recht rasch dementiert wurde.

Vom Paradiesvogel zum Avantgarde-Künstler

Bowie, geboren 1947 als David Robert Jones, brauchte einige Jahre, um sich vom harmlosen R’n’B- und Folkmusiker zu dem Glamourwesen zu entwickeln, das 1972 mit „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars“ die Popwelt erobern sollte. Aus heutiger Perspektive erscheint es schon erstaunlich, dass er die turbulenten 70er-Jahre überleben konnte, die vom Hedonismus, Sex und Drogen geprägt waren. Irgendwann im Laufe dieses Jahrzehnts hat er den Wandel vom Paradiesvogel zum Avantgarde-Künstler geschafft. Er lebte von 1976 bis 1978 in Berlin, wo er die „Berliner Trilogie“ aufnahm – die schon deutlich von einer düsteren Katerstimmung geprägt war. In „Ashes To Ashes“ rechnet er mit seiner Kunstfigur Major Tom ab, dessen Weltraum-Odyssee nichts anderes gewesen sei als ein Drogentrip.

Als David Bowie sich ein paar Jahre später abermals selbst neu erfunden hatte, kehrte er eher als Gentleman-Künstler zurück, der fortan immer neue Strömungen aufsog und nicht aufhörte, sich mit den Veränderungen der Musikwelt auseinanderzusetzen und ihnen seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Aber es war eine veränderte Welt – und er längst eine Poplegende geworden, die den eigenen, selbstmörderischen Lebenswandel überlebt hatte.

Es gelang ihm auch da noch, bewegende, weltweit erfolgreiche Alben mit zeitlosen Klassikern zu produzieren, etwa „Let’s Dance“ von 1983 oder „Earthling“ von 1997, bei dem er nach dem Niedergang des Techno seine eigene Version von Drum’n’Bass vorstellte. Erst gegen Ende der „Reality“-Tour im Sommer 2004 wurde er ausgebremst: Beim Hurricane-Festival im niedersächsischen Scheeßel erlitt er während seines Auftritts einen Herzinfarkt. Es sollte sein letztes Konzert werden.

Zum Abschied noch etwas Musik

Danach wurde es ruhig um Bowie. Als er auf seinem Comeback mit „The Next Day“ 2013 noch einmal seine musikalischen Stationen Revue passieren ließ, dürfte dies noch nicht mit Blick auf das Ende geschehen sein. Denn die Krebserkrankung wurde, wie es heißt, erst vor 18 Monaten von den Ärzten festgestellt. Was sein am vergangenen Freitag zum 69. Geburtstag erschienenes Album „Blackstar“ in einem anderen Licht erscheinen lässt. Freunde und Bekannte hatten zuvor stets beteuert, dass es ihm gut gehe. Aber ein Song wie „Lazarus“ erhält angesichts seines bevorstehenden Todes eine neue Bedeutung.

David Bowie wird nicht wieder auferstehen. Zwar hat er mal gesagt:
„Ich weiß nicht, wohin ich als nächstes gehe. Aber ich verspreche, es wird nicht langweilig.“ Ihn jetzt noch darauf festlegen zu wollen, scheint ein wenig überzogen. Sagen wir es so: Es wäre schön, wenn man behaupten könnte, er wäre einfach heimgeflogen auf seinen Heimatplaneten, von dem er uns so viel Sternenstaub mitgebracht hat.