Essen. . Jeder kennt es, viele stört es: Husten im Konzert. Aber wie erleben es eigentlich Menschen aus der Klassikwelt, wenn’s im Parkett rasselt?

Anke Sieloff.
Anke Sieloff. © WAZ FotoPool

Das sagt Anke Sieloff...

„Mein Verhältnis zum Husten in der Oper hat sich verändert, seit ich vor Jahren zum ersten Mal einen unglaublichen Husten hatte – über Wochen. Bis ­dahin dachte ich: „Muss man denn bitte ins Theater gehen, wenn man so krank ist?“. Aber dann war ich durch die Erkältung dermaßen eingeschränkt in meinen Aktivitäten, dass meine Einstellung sich verändert hat. Seither tun mir die Leute eher leid. Trotzdem bleibt es für einen Sänger ambivalent. Warum ausgerechnet so oft in Piano-Stellen hineingehustet wird, weiß ich nicht. Mein Tipp, wenn ich selbst einen Reiz spüre? Durch die Nase ausatmen, die Konzentration vom Hals weg lenken!“ Anke Sieloff, Opernsängerin am Musiktheater im Revier

Steven Sloane.
Steven Sloane. © WAZ FotoPool / Ingo Otto

Das sagt Steven Sloane...

„Husten stört die Musik, aber mich stört er nicht. Konzerte sollen etwas Lebendiges sein. Es ist live, Husten ist ein körperlicher Ausdruck. Handys finde ich viel schlimmer, denn darüber hat man ja Kontrolle.“ Steven Sloane, Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker

Birgit Gieschke
Birgit Gieschke © Pedro Malinowski

Das sagt Birgit Gieschke...

„Natürlich nervt es, wenn das Publikum hustet! Es ist ja fast nie nur einer im Konzertsaal, es scheint anzustecken über viele Meter hinweg und macht offenbar vorwiegend an den leisesten Stellen besonderes Vergnügen. Die häufig ­kostenlos verteilten Hustenbonbons lösen das Problem (nach meinem Eindruck) leider auch nicht immer – außerdem macht das ­Auspacken oft noch mehr Geräusche . . . Dabei hilft fast jedem Akupressur. Drei Punkte kurz drücken, und der doofe Husten ist weg. Ich mache das seit Jahren mit Erfolg, sogar auf der Bühne! Das schafft wirklich jeder! Tipps dazu findet man vielseitig im Internet.“ Birgit Gieschke, Harfenistin der Neuen ­Philharmonie Westfalen

Franz Xaver Ohnesorg.
Franz Xaver Ohnesorg. © WAZ FotoPool

Das sagt Professor Franz Xaver Ohnesorg...

„Zum Glück haben wir beim Klavierfestival wenig Hustenprobleme. Wenn es doch passierte, würde ich mich fragen, ob unser ­Bonbon-Spender zu ungünstig stand. Vor fast 30 Jahren habe ich einen Handschlag-Vertrag mit dem Deutschland-Chef von Ricola gemacht – dass, wo immer ich arbeite, uns Husten­bonbons zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten ist ein Taschentuch das beste Mittel zur Schalldämpfung. Ich würde nie ohne aus dem Haus gehen, offenbar tun Menschen das aber. Ich habe an hustende Nachbarn auch schon meines weitergereicht.“ Prof. Franz Xaver Ohnesorg, Intendant Klavierfestival Ruhr

Benedikt Stampa.
Benedikt Stampa. © Volker Hartmann

Das sagt Benedikt Stampa...

„Husten darf nicht zu Strafe führen, aber der Großteil dieser Töne ist ab­solut unnötig. Man kann ­sogar lernen, das zu unterdrücken. Ich glaube, vielen Besuchern ist das gar nicht so bewusst. Für sie ist Husten eher eine Übersprungsreaktion, manchmal aus Aufregung, um sich Luft zu ­verschaffen, oft aber auch als Moment der ­Unkonzentriertheit. Mit Krankheit hat es fast nichts zu tun. Der große Pianist Alfred Brendel ist bei uns mal mitten während eines Konzertes aufgestanden und hat ins Publikum gesagt: „Ich würde jetzt gerne in Ruhe weiterspielen“. Tatsächlich ,musste’ plötzlich niemand mehr husten.“ Benedikt Stampa, Intendant Konzerthaus Dortmund

Martin Stadtfeld.
Martin Stadtfeld. © Volker Hartmann

Das sagt Martin Stadtfeld...

„Oft spürt man schon, dass jemand im Saal seine Not hat und gegen einen Hustenanfall kämpft. Dann freue ich mich mit, wenn eine lautere Stelle kommt, und der Gequälte halbwegs unauf­fällig ein wenig husten kann. Komischerweise ist der Drang zu Husten größer, wenn ein ­Orchester mitspielt. Meist kommt es dann nach dem ersten Satz zum Hustenorkan, was bei Musikern Schmunzeln hervorruft. Und man darf nie vergessen: Ein Konzertsaal mit wundervoller Akustik (wie Essens Philharmonie oder Dortmunds Konzerthaus) klingt „in beide Richtungen“ großartig! Insofern ist die Vernehmbarkeit von Hustern auf der Bühne ein gutes Zeichen über das man sich freuen sollte.“ Martin Stadtfeld, Pianist

Herr Stramann - Was hilft gegen Publikums-Husten? 

„Durchatmen oder einfach zu Hause bleiben“ – Ist Konzerthusten eine Krankheit? Ein Interview mit Ludger Stratmann, Arzt und Kabarettist

Herr Doktor Stratmann...

Stratmann: Sie sollen nicht immer ,Herr Doktor’ zu mir sagen.

Diese Frage geht aber an den Arzt. Ist das Husten im Konzert eine eigene Krankheit?

Stratmann: Nee. Wenn es die Krankheit „Respektlosigkeit“ gäbe, dann ja. Wenn jemand einen konzentrierten Musiker mit seinem Gehuste stört, da fehlt einfach der Respekt.

Doktor Ludger Stratmann.
Doktor Ludger Stratmann. © FUNKE Foto Services

Empfinden Sie als Kabarettist es auch so?

Stratmann: Mir ist das egal. Bei mir können die Leute husten wie sie wollen.

Aber Kabarett ist doch auch ein hochsensibler Kunstvorgang.

Stratmann: Ach, mir gibt das die Chance zur Reaktion. Ich ruf’ dann in den ­Zuschauerraum: „Nehmen Sie mal Antitussin-Tropfen!“ Natürlich kann es stören, aber so schlimm wie bei Musikern ist es nicht.

Warum?

Stratmann: Ein Musiker kann nicht so ausbrechen. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste ein Lied ganz notentreu vortragen und dann bölkt jemand da rein, das wär’ schlimmer.

Kann der Hustende was dafür?

Stratmann: Viele haben gar keinen Husten, das ist Nervosität oder eine andere Gefühlsäußerung. Wenn einer aber so krank ist, dass er dauernd dazwischenballert, der sollte einfach zuhause bleiben.

Was hilft?

Stratmann: Wenn man in Ruhe weiteratmet, kann Husten häufig alleine weg­gehen. Rauchern hilft das nicht. Da rate ich zu kräftigem Abhusten. Aber bitte vor der Vorstellung!

Sie sind ein Freund der Ruhr­ge­bietssprache. Die sagt: „Dem huste ich was!“

Stratmann: Ja, da sind wir wieder am Anfang. Es bedeutet: Mir ist egal, was du machst. Da sind wir dann wieder bei der Respektlosigkeit.