Sven Strickers Nordfriesen-Krimi „Sörensen hat Angst“ bietet höchst ungewöhnlichen Krimigenuss – und eine Kleinstadt als Spiegel der Gesellschaft.
Das Beste an Katenbüll ist: Es ist nicht Hamburg. Mit schwitzigen Fingern und klopfendem Herzen flieht Sörensen in das nordfriesische Kaff – vor den Erinnerungen an die gescheiterte Ehe, vor den Panikattacken, vor sich selbst. Doch Katenbüll bietet dem Kriminalhauptkommissar mehr Abwechslung, als ihm lieb sein kann. Denn gleich an seinem ersten Tag im Dienst wird der Bürgermeister erschossen. Im Pferdestall. Und das Dorf ist nicht nur ganz und gar von der Wurstfabrik „Fleischeslust“ abhängig, sondern auch durchzogen von höchst unguten Verflechtungen, deren Fäden allesamt in der verrammelten Scheune des Bürgermeisters (Verzeihung: Ex-Bürgermeisters) zusammenlaufen.
Bereits in seinem Krimidebüt „Schlecht aufgelegt“ bewies Schriftsteller und Hörspielautor Sven Stricker ein feines Gespür für hintergründige Komik. Der 45-Jährige, der in Mülheim aufwuchs, in Essen studierte und heute in Potsdam lebt, begibt sich mit seinem Sörensen nun auf eine Gratwanderung: Zwar sind schräge Kommissare in der Krimilandschaft keine Seltenheit mehr, dieser aber ist – besonders schräg. Nämlich wirklich krank, von einer ausgewachsenen Angsstörung gebeutelt, deren Auswirkungen Stricker mit ironisch-liebevollem Feingefühl nachzeichnet.
Und bei aller Situationskomik, bei allem trockenen Humor, bleibt in diesem verregneten Dorf doch (fast) niemand unschuldig- Ehrgeizige Aufsteigertypen und zerrüttete Familien und rücksichtslose Väter und gefühllose Mütter und Kinder, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen: Katenbüll dient als ein ins Schreckliche übersteigerter Spiegel der deutschen Gegenwart.
Kurz: Ein spannendes, komisches, erschütterndes Buch, das am Ende doch ein Fünkchen Hoffnung zulässt – dass es lohnen könnte, die schweißnassen Hände an der Hose abzuwischen und das Hämmern des Herzens zu ignorieren. Denn: „Wo die Angst ist, da geht’s lang“, sagt Sörensen. Wir folgen ihm gern. Und hoffen auf eine Fortsetzung.
Sven Stricker: Sörensen hat Angst. rororo, 430 S., 9,99 €