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Viele Fans haben noch immer nicht die letzten Taschentücher ausgewrungen, die ihnen Coldplay im vergangenen Jahr mit „Ghost Stories“ bescherte, einer zum Album erstarrten Trennungsschmerz-Geschichte. Der musikalisch ohnehin nah am Wasser gebaute Chris Martin versuchte damals mitleidheischend, das Ende seiner Beziehung zu Gwyneth Paltrow zu verarbeiten – eine Angelegenheit, die Mediengeschichte machte, weil sie als „Conscious Uncoupling“ bezeichnet wurde, was man übersetzen könnte mit „bewusste Entpaarung“. Der Begriff stieß auf so breites Echo, dass Paltrow sich später davon distanzierte.

Die Zeit heilt ein paar Wunden

Nun heilt die Zeit bekanntlich nicht alle, aber immerhin ein paar Wunden. Und so ist das schon damals angekündigte Album „A Head Full Of Dreams“, das vom Titel her wunderschön korrespondiert zur damaligen Single „A Sky Full Of Stars“, das erwartbare Gegenstatement zur enthemmten Trauerkloßigkeit von damals. Obwohl... – so ganz ohne Wehmut und Melancholie geht es bei Coldplay ja eigentlich nie ab. Es gibt sie allerdings, die himmelhochjauchzenden Momente auf diesem Album, allen voran die Single „Adventure Of A Lifetime“ und die lebenshungrige „Hymn For The Weekend“, auf der man die Stimme von Beyoncé Knowles deutlich heraushört. Es klingt stellenweise so, als hätte Martin nicht nur Lebensfreude, sondern auch eine neue Partnerin gefunden: „You make me feel like I’m alive again“, singt er zu einem perlenden Gitarrenmotiv bei „Adventure Of A Lifetime“.

Wer allerdings eine so konsequente Überschwänglichkeit erwartet wie beim 2008 erschienenen „Viva La Vida“, wird nicht ganz zufrieden sein. Coldplay sind eher wieder auf einem Niveau angelangt, das sie 2011 mit „Mylo Xyloto“ erreicht hatten, das sich ja abgesehen von „Every Teardrop Is A Waterfall“ und „Paradise“ nicht unbedingt durch Hitdichte auszeichnete.

Vielmehr gibt es ein paar erstaunlich kraftlose Nummern in dieser Sammlung, darunter die traurige Piano-Ballade „Everglow“, die sich auch nicht durch einsame gefühlvolle Background-Heuler aus dem Abseits aufwerten lässt.

Einen Mitstreiter aus einer ganz unvermuteten Liga hat Chris Martin allerdings auch noch gefunden: Bei „Kaleidoscope“ erklingt unvermittelt ein Auszug aus einer Barack-Obama-Rede, sie macht das Album schwer und langsam, was umso irritierender ist, wenn im Anschluss das doch sehr elektropoppige „Army Of One“ folgt, das synthetisch vor sich hin plätschert.

Überhaupt erschließt sich der Einsatz von Zwischenspielen auf „A Head Full Of Dreams“ nicht so ganz. Wenn zum Schluss das genau eine Minute lange „Colour Spektrum“ ätherische Anklänge an „Every Teardrop“ nahelegt, könnte das ein Anzeichen dafür sein, dass jetzt noch einmal ein großer Wurf folgt, eine echte Stadionhymne. Stattdessen bleibt das folgende, letzte Lied „Up & Up“ ein langsames, durchaus schwaches Finale.

Eigentlich erwartet man mehr

Sicherlich ist „A Head Full Of ­Dreams“ kein ganz schwaches Album, aber da Coldplay sich in 15 Jahren mit vielen hochemotionalen Pop-Momenten in die oberste Liga gespielt haben, erwartet man von ihnen auch mehr als nur ein anständiges britisches Gitarrenpopalbum, das an vielen Stellen unnötig mit Elementen aus der elektronischen Tanzmusik aufgepeppt wurde. Als Meilenstein, wie man ihn zuletzt bei „Viva La Vida“ erlebte, wird die 2015er-Auflage von Coldplay sicher nicht in die Popgeschichte eingehen. Aber es ist immerhin gut zu wissen, dass ein Tal der Tränen durchschritten ist.