Wuppertal. Das Museum von der Heydt führt die Sammlung seines Namenspatrons wieder zusammen und zeigt die bedeutsamen Werke des Bankiersohns.
Das Tal an der Wupper war Ende des 19. Jahrhunderts eine seit Jahrzehnten boomende Industrieregion, Textil, Chemie, Maschinenbau. Die Armenfürsorge nach dem „Elberfelder System“ war Vorbild für ganz Deutschland, und August von der Heydt (1851-1929) blickte von seiner Villa Königshöhe bis zum Rhein hinunter, auf „das ewig rückständige Düsseldorf“. Er führte das seit über zwei Jahrhunderten bestehende Geldhaus seiner Familie, ein gebildeter Bilderbuch-Bankier und Grün-Liebhaber, der seinem Elberfeld Park um Park spendierte, jedoch mehr noch ein Kunst-Liebhaber, der sich mit Skulpturen und Bildern „geistige Bewegung“ verschaffte. Von der Heydt schätzte antike Kunst, holländische Landschaften und Stillleben, am meisten aber die moderne, damals noch verlachte Kunst, Impressionisten wie Expressionisten. Renoir, Cézanne, Degas, Signac, die Maler des „Blauen Reiters“ oder der „Brücke“. Als Chef des Elberfelder Museumsvereins kaufte er 1911 in Paris den allerersten Picasso für ein Museum. Dessen Gründung 1902 hatte August von der Heydt angestoßen.
Kein Wunder also, dass das Museum, das seit 1961 von der Heydt heißt, nun seinen Namenspatronen eine große Ausstellung widmet. Dass sie etwas vollmundig mit „Weltkunst“ (samt unsichtbarem Ausrufezeichen) betitelt ist, liegt allerdings an August von der Heydts Sohn Eduard. Für ihn war Kunst Lebensmittel, Lebensinhalt. Und er sah im Gefolge des Hagener Bankierssohns Karl Ernst Osthaus prähistorische, antike und moderne, europäische, afrikanische wie ozeanische Kunst als gleichrangig an, wie auch die Schöpfungen des Kunstgewerbes und -handwerks.
Matisse-Blume mit Dogon-Figuren
Eduard von der Heydt, der früh in London eine eigene Bank gegründet hatte, lebte mit der Kunst, in Zandvoort etwa, wo er 1925 drei Fischerhäuser direkt am Strand zu einem modernen Bauhaus-Komplex umbauen ließ und jeden ersten Mittwoch im Monat den in Doorn exilierten Kaiser Wilhelm II. zur Teestunde empfing, er war ja dessen Vermögensverwalter. Den traumhaften, kunstflankierten Meerblick aus dem Fenster rekonstruiert die Wuppertaler Ausstellung mit Fotowänden, die Werke aus der Sammlung aber wurden in größtmöglicher Vollständigkeit aus aller Welt zusammengetragen; vor allem aus dem Zürcher Museum Rietberg, dem von der Heydt vor seinem Tod 1964 die fulminante Weltkunst seiner Sammlung vermachte, während die europäische in Wuppertal landete.
Und dort können nun die Augen weiden, mehr denn je: an Paula Modersohn-Becker, die von der Heydt so früh und umfassend sammelte wie keiner, an der Sinnlichkeit von Lehmbrucks „Hagener Torso“, an expressionistischen Kandinskys und frühlingsfrischen Renoir-Landschaften, an einer kühn-grünen Distel von Monet, Kirchners „Frauen auf der Straße“, Marcs „Blauschwarzem Fuchs“ oder weltfrommen Gouachen von Chagall. Erst recht an wiederhergestellten Kombinationen wie der Matisse-Blume mit Dogon-Figuren aus Mali und Masken aus Java.
Umso rätselhafter, warum von der Heydt, der am Lago Maggiore am liebsten in ärmellosen XXL-T-Shirts herumlief, 1926 dem rechtsradikalen Frontkämpferbund „Stahlhelm“ und 1933 auch der NSDAP beitrat – der Partei, die wenige Jahre einen Vernichtungsfeldzug führen sollte ausgerechnet gegen jene „entartete“ Kunst, die einen Großteil der Sammlung von der Heydts ausmachte.