Oberhausen.. Großer Schweiger, noch größerer Filmregisseur: Wim Wenders, geboren in Düsseldorf und aufgewachsen in Oberhausen, wird 70 Jahre alt.

Der nun auch nicht gerade redselige Peter Handke, so wird überliefert, soll bei manchen Treffen mit Wim Wenders einfach was gesagt haben, weil der das Schweigen seines Freundes nicht mehr ertragen hat. Wenders hasst es, Dinge zu sagen, die er schon mal gesagt hat. Oder über die man nicht reden muss. Und beantwortet manche Fragen, die man ihm stellt, erst nach Tagen.

Aber: Dieser Wim Wenders, einer der wenigen Weltstars des deutschen Films, ist ein großer Erzähler, seine Filme sind Romane in Bild und Ton. „Ich bin ein verhinderter Maler, meine Filme sind nur eine Verlängerung der Malerei“, sagt er. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mit Filmen besser erzählen kann.“

Das Ruhrgebiet ist ein Stück seines Lebens

Jener Ernst Wilhelm Wenders, der am 14. August vor 70 Jahren in Düsseldorf geboren wurde und diesen Namen bekam, weil das Standesamt den holländischen Namen Wim nicht akzeptierte, wuchs im Stadtteil Benrath auf und wäre mit vier Jahren einmal fast im Rhein ertrunken. 1960, mit 15, musste Wenders nach Oberhausen-Sterkrade umziehen, sein Vater wurde Chefarzt im dortigen Krankenhaus.

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Das Revier fand Wenders „potthässlich“, aber durch seinen Fotoapparat freundete er sich damit an. Er probierte in den 60er-Jahren das ein oder andere Studienfach aus, ging als Aquarellmaler nach Paris und verbrachte dort ganze Tage im Kino und ging 1967 an die frisch gegründete Filmhochschule nach München.

Musik als Wenders Markenzeichen

Schon seine Abschlussarbeit dort, „Summer in the City“ quoll über vor Musik, das sollte ein Markenzeichen des Regisseurs Wenders bleiben. Bis hin zu der Tatsache, dass er mit „Buena Vista Social Club“ das weltweite Revival einer vergessenen Spielart der Musik einläutete.

Dieser Film war einer von dreien, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten, neben „Pina“, der 3-D-Dokumentation über seine Freundin Pina Bausch, die auch über ihren Tod hinaus wie Wenders Botschafter deutscher Kultur in aller Welt ist, und „Das Salz der Erde“ über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado.

Von Niederlagen geprägt

Und auch Wenders’ berühmtester Film „Paris, Texas“ lebt von der schneidend atmosphärischen Slide-Gitarre eines Ry Cooder mindestens ebenso sehr wie von der mit Sam Shepard entwickelten Geschichte, der pulswarmen Regie und einer großartig ambivalenten Nastassja Kinski, für die dieser Film der Durchbruch war so wie er Wenders aus dem Ghetto der Filmkunst befreite.

Auch die Fotografie liegt ihm: Wim Wenders will mit seinen Bildern Orte sprechen lassen.
Auch die Fotografie liegt ihm: Wim Wenders will mit seinen Bildern Orte sprechen lassen. © dpa | dpa

Nach „Paris, Texas“ ist dem Film-Magier, der ja auch Videoclips und Werbespots gedreht hat, drei Jahre lang nichts mehr eingefallen: „Erfolg“, sagt Wenders, „macht dich platt, Niederlagen fördern den Charakter.“ Und Niederlagen erlebt der Charakterkopf Wenders bis heute, sein letzter Spielfilm „Every Thing Will Be Fine“ etwa floppte an den Kinokassen. „Meine Film", stöhnt der Mann, der in den 70er-Jahren als Autorenfilmer auch mit Zumutungen zu einem großen Erneuerer des deutschen Films wurde, „sind immer zu lang“.

Erstklassisch besetzte Filmmusik

Das gebremste, lebensnahe Tempo aber, das nichts wissen will davon, dass ständig die Spannung gehalten werden muss, gehört zu seiner filmischen Handschrift, „Bis ans Ende der Welt“ etwa, einer seiner Lieblingsfilme, musste von fünf Stunden auf die Hälfte gekürzt werden – vergebens, auch er wurde ein Flop, allerdings mit einer überaus stimmigen, hochprominent besetzten Filmmusik, von U2 über R.E.M. und Depeche Mode bis zu Patti Smith und Lou Reed.

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Wenders, der nach einigen glücklosen Ehen seit 22 Jahren mit seiner ehemaligen Kameraassistentin Donata zusammen ist, hat vor drei Jahren in Düsseldorf eine Stiftung gegründet, die sein Gesamtwerk sammelt und seine alten Filme restauriert. Aber das heißt nicht, dass er abgeschlossen hätte.

Wenders bleibt erfinderisch

Auffällig ist, dass die Republik in den letzten Jahren in ihm einen ihrer besten Dokumentarfilmer hat, der für jeden Gegenstand eine neue Erzählform findet, bis hin zu Pina Bausch in 3D. „Das Filmemachen“, sagte Wenders schon in den 90er-Jahren, „hat man ja nicht ein für allemal gelernt, es unterliegt einem ständigen Wandel“.

Die diesjährigen Wenders-Festspiele, die mit einem Ehren-Bären der Berlinale begannen, in einer Retrospektive im New Yorker MoMA gipfelten und auch mit einer wuchtigen Ausstellung seiner Fotos im Düsseldorfer Museum Kunstpalast (verlängert bis 30. August!) glänzten, erreichen mit dem 70. Geburtstag ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss. Und ab jetzt wird man gespannt sein dürfen. Auf den nächsten Wenders-Film.