Thomas Kling, am 1. April 2005 mit gerade mal 47 Jahren an Lungenkrebs gestorben, war eine Ausnahmeerscheinung in der deutscher Gegenwartslyrik. Wer seine nachgerade legendären Auftritte, seit den frühen 80er-Jahren zunächst im „Ratinger Hof“ am Rande der Düsseldorfer Altstadt, später im Museum Folkwang etwa und in der gesamten Republik verfolgt hat, erlebte so etwas wie eine literarische Naturgewalt, Urgewalt. Als Dichterlesungen hierzulande noch wie Weihestunden im Sinne des wie Kling in Bingen geborenen Stefan George zelebriert wurden, gab Kling den Punk-Lyriker in der würdigen Nachfolge von August Stramm und Ernst Jandl. Schon da wurde offensichtlich, dass Klings gedruckte Gedichte, die unter Titeln wie „erprobung herzstärkender mittel“, „nacht.sicht.gerät“ oder „brennstabm“ erschienen, nur die eine Seite der dichterischen Medaille waren – sie dienten als Partituren für Wortkonzerte, Versaufführungen, Textperformances. Die Vielschichtigkeit des Gedruckten, das zuweilen nach Celan, dann wieder nach Brecht klang, ging verloren – aber was entstand, waren furiose Klangwerke.
Umso sinniger, dass nun der Essener „Schreibheft“-Herausgeber Norbert Wehr und die Hörfunkautorin Ulrike Janssen unter dem Titel „Die gebrannte Performance“ 4 CDs mit Lesungen und Gesprächen von Thomas Kling zusammengestellt haben. Hier ist nun mit finanzieller Hilfe der Kunststiftung NRW, die schon eine Thomas-Kling-Poetik-Dozentur an der Bonner Universität gestiftet hat, nachzuhören, wie sich Klings Les-Art weiter ausdifferenzierte, wie sie selbst Versprecher in Vers-Sprecher verwandelte. Und das hinter alledem eine wohldurchdachte Lautpoetik stand. Das Beibuch lässt editorisch keinen Wunsch offen, es würdigt einen der großen Dichter, den dieses Land hervorgebracht hat.