Düsseldorf. . Ein gelungener „Baumeister Solness“ von Hendrik Ibsen im Düsseldorfer Schauspielhaus

Ibsen, erzählt man, war leidenschaftlicher Zeitungsleser. Hier fand er seine Figuren: Normale Leute, die an normalen Dingen scheitern. Gut möglich, dass er so auch „Baumeister Solness“ entdeckte; ein Mann stürzt beim Aufhängen eines Richtkranzes in den Tod. In einem Architekturbüro der Neuzeit treffen wir ihn wieder: Halvard Solness, Typ Ben Kingsley, ein Best-Ager in Dandyschuhen, dem die Angst vor dem Ende der Karriere im Nacken sitzt ...

Ibsen war Mitte 50, als er „Solness“ schrieb. Die Nachwelt sah prompt autobiografische Züge – ein Künstler zahlt den Preis für sein Lebenswerk. Früher entwarf der Baumeister Kirchen, heute parzelliert er Grundstücke. Längst hat ihn Zeichner Ragnar Brovik überholt. Als er Hilde trifft, fühlt er sich in seine Jugend zurückversetzt. Luftschlösser möchte er bauen, „in denen Menschen glücklich sind“. Er will zeigen, wie viel Elan noch in ihm steckt – und stürzt von einem Kirchturm in den Tod.

So weit die Geschichte, die Stephan Müller flott, menschlich und modern für das Düsseldorfer Schauspielhaus bearbeitet hat. Fabian Kalker schuf einen coolen, chilligen Soundtrack, Siegfried E. Mayer den schlichten Drehbühnenkasten: hier das weiße Büro, in dem sich junge Leute über Pläne beugen. Später die Veranda, ein Innenhof, wie man ihn in angesagten Vierteln sieht.

Andreas Grothgar überzeugt als dynamischer Endfünfziger. Dieser Solness ist weniger Despot als Getriebener, ein Typ, der bellt, wenn er spricht. Aufgestiegen ist er durch Zufall. Jetzt fürchtet er die Zeche, „denn jedes Glück hat seinen Preis.“ Das Alter lugt schon um die Ecke, Ehefrau Aline (Claudia Hübbecker, angenehm zurückhaltend) sorgt sich um seine Psyche. Das Leben hat sie verbittert, ihr Elternhaus ist abgebrannt, die Kinder hat sie verloren. Doch darum geht es nur am Rande. Hier dreht sich alles um die Sehnsucht. Solness braucht Anerkennung, er braucht Trost. Und so verfällt er Hilde rettungslos. Als sie zehn war, versprach er ihr ein Königreich – jetzt steht sie da und will es haben. Berührend, wie der hagere Kerl mit dem Mädchen über die Bühne tollt, frei, für immer jung.

Während Jonas Anders als Ragnar größtenteils durch Abwesenheit glänzt, dreht die wilde Hilde (Pia Händler) auf. Bisweilen wirkt es, als habe man ihr Amphetamine aufs Pausenbrot gelegt. Sie tanzt und rennt gegen Wände, eine Mischung aus Pippi Langstrumpf, Kasperls Gretel und Lolita. Zu selten blitzt die Hexe „mit dem robusten Gewissen“ hervor, das eiskalte Kind.

Am Ende steigt Solness für sie den Turm hinauf. Hier wendet sich die Regie klug ab. Die jungen Karrieristen haben sich die besten Plätze gesichert, um den Meister scheitern zu sehen; sie rechnen mit seiner Feigheit. Hilde fiebert dem Triumph entgegen. Alle starren ins Publikum. Dann ist es aus. Ein Unfall? Selbstmord? Wer weiß schon. Menschliche Dramen spielen sich immer im Verborgenen ab.