Mailand. .

So schön ist dieses Italien. „Very bello!“ wie die Amerikaner sagen, oder jedenfalls wie der Kulturminister denkt, dass die Amerikaner sagen würden und der Rest der Planeten bestimmt auch. „Very bello!“ jedenfalls heißt das neue Internetportal des Ministeriums. Und auch wenn sich Twitter, Facebook, Zeitungen & Co. den Mund über diesen „Sprachmurks“ zerrissen haben: Touristen aus der ganzen Welt, die vom 1. Mai an zur „EXPO 2015“ nach Mailand reisen, werden dort alles finden, was an Kultur sonst noch los ist im „Belpaese“. Die mindestens 20 Millionen erwarteten Besucher nämlich – ab 24 Millionen kommt die Schau zum Thema „Welternährung“ ohne finanzielles Defizit davon – die sollen sich nicht nur optisch, erlebnismäßig und gastronomisch durch die spektakulären Hallen futtern, sondern darüber hinaus noch da und dort ein paar Euro liegen lassen. Italien kann’s brauchen, die sechsmonatige Weltausstellung macht ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Unter anderem das Abendmahl

Was Wunder also, dass Mailand auch im Begleitprogramm auf Publikumsmagneten ersten Ranges setzt: Neben dem „Abendmahl“ gibt’s gleich zwei weitere Ausstellungen mit Werken von Leonardo da Vinci. Die „Scala“ wird Fans der großen Oper sechs Monate lang ohne Unterlass bespielen. Damit die Stadt auch als Weltmetropole der Mode gebührend zur Geltung kommt, setzt Altmeister Giorgio Armani (80) vier Jahrzehnte seines Lebenswerks in Szene: mit dem größten Laufsteg-Defilee aller Zeiten am Vorabend der Expo-Eröffnung und mit der Öffnung seiner Magazine für den Rest der Ausstellung. Im Design-Museum „Triennale” gastieren – mit Witz und Augenzwinkern – zwei Ausstellungen: zum Verhältnis zwischen Kunst und Essen die eine, über den fantasievollen Gebrauch von Küchengeräten die zweite.

Und dann hat Mailand ohnehin frisches urbanes Design en masse zu bieten: eine neue Skyline, Weltarchitektur um die „Porta Nuova” herum mitten in der Stadt, Stahl und Glas bis 231 Meter hoch, dazu „senkrechte Wälder“ als Wohntürme, genauso neu, genauso preisgekrönt, aber gewöhnungsbedürftig.

17.000 Veranstaltungen und Ausstellungen allein in Mailand sowie im engeren Dunstkreis verzeichnet das zweite, das lokale Internet-Portal für Expo-Besucher (www.expoincitta.it). Doch von den Touristenmassen versprechen sich alle etwas. Das durch Hochgeschwindigkeitszüge auf eine knappe Stunde an Mailand herangerückte Turin wirbt mit dem frisch herausgeputzten “Ägyptischen Museum” und mit einer Sonderausstellung jenes mysteriösen Leichentuchs, in dem Christus einst gelegen haben soll. Dazu kommt im Juni sogar der Papst vorbei. Das hat Mailand nicht zu bieten...

Im Wettbewerb um die Touristen präsentieren sich auch die fünf nationalen „Kulturhauptstädte“ des Jahres. Siena, Ravenna, Perugia-Assisi, sowie das sardische Cagliari und das apulische Lecce hatten sich um den Posten einer “Europäischen Kulturhauptstadt” für 2019 bemüht; den Zuschlag bekam die „Felsenstadt“ Matera. Und in Venedig, zweieinhalb Bahnstunden von Mailand entfernt, finden parallel zur Expo die Kunst- und die Tanz-Biennale statt.

Ob dieses Jahr, gerade während der sonst kulturell toten Sommermonate, in Italien kulturell tatsächlich mehr geboten wird als bisher, oder ob das nur der Eindruck ist, den das Verybello-Sammelportal (www.verybello.it) hervorruft? Es sieht so aus, als habe Italien die Chance erkannt, alles an „Schönem“ zu zeigen, was man hat und möglichst viele Besucher möglichst lange im Land zu halten. Gerade jene, die von ferne kommen: in China sollen schon mehr als eine Million Expo-Tickets verkauft worden sein.

Jetzt wäre es nur äußerst very bello, wenn das Expo-Gelände auch rechtzeitig fertig würde. Daran arbeiten 6400 Mann derzeit Tag und Nacht; vor allem der technisch wie architektonisch hochkomplexe Pavillon des Gastlandes selber – in „biodynamischem“ Beton, wie es heißt – hat einigen Rückstand aufzuholen. Aber gut. Sie glauben dran. Die mit Abstand schwärzeste Prognose stammt vom Mailänder Bürgermeister Giuliano Pisapia. Er sagt: „Fertig wird am 1. Mai nicht alles sein. Aber die Besucher werden alles anschauen können.“