London. Seine Bilder brechen Auktionsrekorde, er gilt als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhundert. Doch der irisch-britische Maler Francis Bacon ist umstritten. Eine Ausstellung ist auf der Suche nach der Komplexität des “Schreckensmalers“.
Ägyptische Mumienmasken, griechische Statuen, Michelangelo, Velázquez, Rembrandt, Picasso und van Gogh - es gab nichts an kunsthistorischer Literatur, was in Francis Bacons Studio nicht zu finden war. Dass der irische Maler (1909-1992) in einem "Dialog mit Künstlern aller Zeitalter" stand, will eine Ausstellung in Großbritannien beweisen. Das Sainsbury Kunstzentrum an der Universität von Norwich (Südostengland) hat dazu rund 30 Meisterwerke aus der St. Petersburger Eremitage etwa einer gleichen Anzahl von Bacon-Werken gegenübergestellt. Es ist die bisher größte Leihgabe des renommierten russischen Museums nach Großbritannien.
Das Sainsbury Centre beheimatet die Kunstsammlung des britischen Supermarktriesen und Kunstmäzen Robert Sainsbury. Er galt mit seiner Frau Lisa als einer der wichtigsten Sammler moderner Kunst des 20. Jahrhunderts - und war mit Bacon befreundet.
"Dies ist eine sehr intellektuelle Ausstellung", gestand Eremitage-Direktor Michail Piotrowski bei der Pressebesichtigung von "Francis Bacon and the Masters". Vor allem aber werde die Schau durch die Schönheit der gezeigten Objekte zu einem "visuellen Erlebnis". Bacons Respekt vor den alten Meistern, so der Katalog, könne dazu beitragen, sein "kreatives Genie" und seine künstlerische sowie persönliche Komplexität besser zu verstehen. Seine Motive erhielten erst durch Deformation ihren wahren Charakter, sagte Bacon einmal zu seinen verzerrten Darstellungen des menschlichen Körpers.
Bacon galt in vieler Hinsicht als revolutionär
Trotz seines großen künstlerischen und kommerziellen Erfolgs bleibt Bacon umstritten. Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher nannte seine Arbeiten "fürchterlich". Der "Guardian" kritisierte das Konzept der Gegenüberstellung von Bacon mit Meisterwerken aus St. Petersburg. Bacons Werk werde damit "verspottet", sein Talent auf den Ruf eines "Schwindlers" reduziert.
Dem widerspricht Chefkurator Thierry Morel vehement. Bacon habe in seinen komplexen, oft verzerrten und gequälten Darstellungen die "Vergangenheit auf der ständigen Suche nach Sinn und Bedeutung des Lebens neu interpretiert", sagte Morel der Deutschen Presse-Agentur. Es sei bemerkenswert, dass ein abstrakter Maler wie Bacon, der in vieler Hinsicht als revolutionär galt, sich so intensiv mit der Kunst vorangegangener Meister beschäftigt habe. "Er stand im Dialog mit Künstlern aller Zeitalter. Deshalb ist es nicht leicht, seine Werke auf einfache Art in die Geschichte der modernen Kunst einzuordnen", sagte Morel.
Alkohol, Depression und Spielsucht waren Bacon nicht fremd
Archivmaterial aus Bacons Studios in Dublin und London, Fotos und Korrespondenzen sollen seine Faszination mit der Kunst von der Antike bis zum 20. Jahrhundert belegen. Briefe entlarven die häufige Verzweiflung und herbe Selbstkritik des Künstlers, der wegen seiner - damals noch strafbaren - offenen Homosexualität von seiner Familie verachtet wurde und dem Alkohol, Depression und Spielsucht nicht fremd waren. Bacon ist dafür bekannt, viele seiner Werke zerstört zu haben. "Ich versuche, sie zu verbessern, und sie verlieren ihre Qualität, sie verlieren alles", sagte er dazu einmal.
Als typisch für den Tenor der Schau präsentiert Morel die Gegenüberstellung von Michelangelos Statue eines kauernden Knaben (1524) mit Bacons Ölgemälde "Two Figures in a Room" (Zwei Figuren in einem Raum) von 1959. Während bei dem italienischen Meister die "göttliche Reinheit und Perfektion" des menschlichen Körpers im Vordergrund standen, vermittle Bacons "sinnliche Betrachtung" den Eindruck vom "Kampf der Natur gegen den Tod".
Bacon stand im Austausch mit van Goghs Bruder
Diego Velázquez' Porträt von Papst Innozenz X. (ca. 1650) als Vorbild für Bacons Papstgemälde wird ebenso veranschaulicht wie der Einfluss von Tizian oder dem Spanier Alonso Cano auf Bacons Thematisierung von Kreuzigung und Passion. Picassos kubistisches Gemälde einer jungen Frau (1909) wird mit Bacons Leid erfülltem Porträt seiner Künstler-Freundin Isabel Rawsthorne (1966) verglichen.
Auch Bacons Nähe zur Kunst und persönlichen Tragödie von Vincent van Gogh, mit dessen Bruder Theo er korrespondierte, wird demonstriert. Die Zerstörung von van Goghs Selbstporträt "Der Maler auf dem Weg nach Tarascon" 1944 in Berlin soll Bacon inspiriert haben, auf der Grundlage von Reproduktionen seine berühmte Serie von Porträts von van Gogh zu schaffen. (dpa)