Köln. Gegensätze, die sich anziehen, künstlerisches Schaffen das verbindet. Paaren wie Frida Kahlo und Diego Rivera ist die Ausstellung "Künstlerpaare - Liebe, Kunst und Leidenschaft" gewidmet – ein Besuch im Kölner Wallraf-Richartz-Museum und einer im wirklichen Leben.

Frida Kahlo und Diego Rivera, Mexiko, 1934. Foto: © Joan Munkacsi, Courtesy Howard Greenberg Gallery, NYC / Fotograf: Martin Munkacsi
Frida Kahlo und Diego Rivera, Mexiko, 1934. Foto: © Joan Munkacsi, Courtesy Howard Greenberg Gallery, NYC / Fotograf: Martin Munkacsi

// »Liebeslied. Kannibalismus. Kommunion. Jean, ich verschlinge dich«, so klingt es, wenn Niki de Saint Phalle den geliebten Künstlerkollegen bestürmt. »Ich erringe deine Kraft. Unsere Seelen vereinigen sich.« Der Adressat ihrer Botschaft heißt Jean Tinguely. Im Paris der frühen 1960er Jahre waren die beiden ein schickes Paar, der Kinetikkünstler und das ehemalige Model – in der Kunstszene damals auch als Bonnie und Clyde bekannt. Werke aus ihrer wilden Zeit zu zweit stehen jetzt nebeneinander im Kölner Wallraf-Richartz-Museum.

Denn Saint Phalle und Tinguely geben dort das jüngste von 13 Beispielen ab. Zusammen mit prominenten Kollegen wie Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Marianne Werefkin und Alexej Jawlensky, wie Lee Krasner und Jackson Pollock oder Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker gehen sie dem reizvollen, sicherlich auch publikumswirksamen Thema »Künstlerpaar« nach – durch drei Generationen von August Rodin, geboren 1840, bis zur 90 Jahre jüngeren Niki de Saint Phalle. Zeitgenossen wie Christo und Jeanne-Claude, das Ehepaar Droese, die Blumes oder Neo Rauch mit seiner ebenfalls malenden Frau Rosa Loy bleiben außen vor. Vielleicht auch, weil es sich über das private Miteinander verstorbener Künstler leichter reden lässt.

Kreative Ergebnisse privater Beziehungen

Künstlerpaare. Liebe, Kunst & Leidenschaft

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud:

31. Oktober 2008 bis 8. Februar 2009

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Der Gegenstand scheint überhaupt nicht neu. Kinofilme und allerlei Publikationen haben sich in den letzten rund 20 Jahren der künstlerischen Zweisamkeit angenommen. Da könnte es einen wundern, dass es bisher keine gründliche Ausstellung gab, die kreative Ergebnisse solcher Verbindungen in den Vordergrund rückte. Köln kann also eine Premiere bieten mit seiner schönen Ausstellung, die nicht zu knapp vom unterhaltsamen Gemenge aus viel Kunst und nicht zu viel intimem Background profitiert. In kleinen Kabinetten stehen die Werke der Liebenden Seite an Seite und illustrieren ganz unterschiedliche Modelle des künstlerischen Paarverhaltens.

Gabriele Münter und Wassily Kandinsky scheinen zunächst recht eng verbunden, wenn sie sich im oberbayerischen Murnau gemeinsam vom Gegenstand in der Malerei lösen. Kandinsky sollte den Weg danach fortsetzen bis in die Abstraktion. Münter dagegen fand auf ihrer Suche nach Innerlichkeit zu Objekten der Volkskunst und vereinte sie 1912 in ihrem »Stillleben Geheimnis«. Nicht viel später wird die Trennung von ihrem Liebsten die Künstlerin in eine tiefe Schaffenskrise stürzen.

Gegensätze, die sich anziehen

Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, o. J. Foto: © Jill Krementz
Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, o. J. Foto: © Jill Krementz

Nebenan beim Ehepaar Modersohn aus Worpswede hängen Ottos recht konventionelle Landschaften und dazu formal zunehmend reduzierte Menschenbilder seiner Frau Paula Modersohn-Becker. Während er an der Tradition französischer Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts kleben blieb, war sie unter dem Eindruck der Pariser Avantgarde durchgestartet und hatte ihren Gatten weit hinter sich gelassen – was das breite Publikum freilich erst lange nach Paulas frühem Tod begriff.

Etwas näher an der Gegenwart führen Frida Kahlo und Diego Riviera vor, wie sehr sich Gegensätze anziehen können: Im vielsagenden Doppelporträt sieht man zwischen Sonne, Mond und Muscheln die völlig ungleichen Gesichtshälften der beiden Künstler zu einem Antlitz vereint. Es schaut nach idealer Eintracht aus, doch wer die verzwickte Beziehungsgeschichte kennt, weiß, wie viele Enttäuschungen und Verletzungen beide Seiten zu ertragen hatten.

Die herzerwärmende Vorstellung von idealer Eintracht, vom Glückstaumel zwischen Schlafzimmer und Atelier kommt beim Blick auf die 13 Kölner Zweierkisten schnell abhanden. Manchmal funktioniert das kreative Miteinander wie beim Ehepaar Arp, das die Verbindung gelegentlich gar in gemeinsam geschaffenen Duo-Arbeiten zum Ausdruck brachte. Doch in den meisten Fällen scheint das Rosarot getrübt.

Flammende Gefühle

Ein tiefes Dunkelgrau überschattet Camille Claudels Liaison mit dem 24 Jahre älteren Lehrer Auguste Rodin. In Köln zeugen plastische Paardarstellungen von den flammenden Gefühlen der beiden Bildhauer: Claudels innige »Hingabe«, Rodins berühmter »Kuss« und sein »ewiger Frühling«. Doch auf die schöne, auch produktive Episode im gemeinsamen Atelier, wo sich vor allem die junge Künstlerin am großen Vorbild schulte, folgte die dramatische Lösung. In der Kunst wie im Leben. Davon zeugt in der Ausstellung erbärmlich Claudels »Flehende« von 1900: Eine nackte Frau auf Knien, die Arme bettelnd empor gestreckt. Unschwer ist darin Camille selbst zu erkennen. Bald wird der Geliebte sie verlassen und sich endgültig für die andere Frau in seinem Leben entscheiden.

Nach soviel Herz, Schmerz, Leidenschaft und Verzweiflung haben wir uns von Köln aus auf die A 3 in Richtung Norden begeben – um das »Künstlerpaar« im Hier und Jetzt zu suchen. Auf dem Acker bei Mettmann wähnt man sich ihm ganz nahe. Doch just hier »endet die Streckenführung«. »Ihr Ziel befindet sich in Pfeilrichtung«, verspricht der kleine Computer an der Frontscheibe. Aber das stimmt nicht – weit und breit nur Felder. Glücklicherweise weiß die Nachbarschaft es besser: Links, rechts, links, rechts, wenn die Schlaglöcher groß und tief werden, sind Sie richtig.

Der Geist des großen Lehrers

Auguste Rodin (1840–1917). Der ewige Frühling, um 1884
(L’éternel printemps). Bronze (Guss Alexis Rudier, 1926). Musée Rodin, Paris, Inv.-Nr. S. 989. Donation Auguste Rodin, 1916. Foto: © Musée Rodin, Paris / Fotograf: Adam Rzepka
Auguste Rodin (1840–1917). Der ewige Frühling, um 1884 (L’éternel printemps). Bronze (Guss Alexis Rudier, 1926). Musée Rodin, Paris, Inv.-Nr. S. 989. Donation Auguste Rodin, 1916. Foto: © Musée Rodin, Paris / Fotograf: Adam Rzepka

Dort schwingt sich Felix Droese gerade aufs Rad – sein Hund braucht Bewegung. Die Verabredung hatte der Künstler glatt vergessen. Doch dauert es nicht lange, da sitzt man zusammen drinnen im hübsch hergerichteten Bauernhaus, am langen Holztisch neben dem Ofen. Links auf der Bank Felix, rechts auf dem Sofa Irmel Droese. »36 Jahre haben wir jetzt schon auf dem gemeinsamen Buckel«, rechnet die drahtige Frau mit der grünen Brille vor.

Näher gekommen waren sie sich 1970 an der Kunstakademie in Düsseldorf, in der legendären Klasse von Joseph Beuys. Ist von Droeses die Rede, dann fehlt selten der Hinweis auf den großen Lehrer. Sein Geist scheint bis heute wesentlich. Und darin erschöpfen sich wohl auch schon die Gemeinsamkeiten im Schaffen der beiden.

Was sie mitgenommen haben aus ihrem Studium? Was sie von Beuys gelernt haben? »Alles«, so klar und kurz fasst es Felix Droese. Seine Frau gibt sich etwas auskunftsfreudiger: »Wir haben gelernt, dass man Fragen stellt, vor allem sich selbst. Auch dass man mit der Natur arbeitet.« Nun muss sich Felix Droese doch noch einmal einschalten: »Und dass man sich in seiner Arbeit auf die Gesellschaft bezieht.« Eine Idee, die er sich ganz zu Eigen gemacht hat und die immerzu mitschwingt. 1984 etwa bei der Biennale von Sydney, wo Droese unter dem Motto »Wir sind keine amerikanischen Lampenschirme« elf zerschnittene Rinderfelle aufhängte, um damit gegen Tierversuche zu protestieren. Oder 1988, als er im deutschen Pavillon der Venedig-Biennale sein »Haus der Waffenlosigkeit« installierte.

Einer muss auf die Karriere verzichten

Jackson Pollock und Lee Krasner, um 1949. Foto: Courtesy of the Jackson Pollock and Lee Krasner papers, Archives of American Art, Smithsonian Institution / Fotograf: Wilfrid Zogbaum
Jackson Pollock und Lee Krasner, um 1949. Foto: Courtesy of the Jackson Pollock and Lee Krasner papers, Archives of American Art, Smithsonian Institution / Fotograf: Wilfrid Zogbaum

Im selben Jahr noch setzte der Künstler mit seinem »Omnibus für direkte Demokratie« von West- nach Ost-Berlin über und erklärte dazu, dass »die Verwandlung dieses öffentlichen Verkehrsmittels in den Träger einer die demokratische Öffentlichkeit betreffende Idee« Kunst sei. Besser in Erinnerung ist sicher Droeses Coup gegen den Kunstmarkt – es ist fünf Jahre her, dass er 10.000 seiner Druckgrafiken für 12,99 Euro über den Großdiscounter Aldi unters Volk brachte.

Auch als das Thema »Künstlerpaar« zur Sprache kommt, denkt Felix Droese sofort in gesellschaftlichen Dimensionen: »In einem Künstlerhaushalt ist es doch immer so, dass einer auf seine Karriere verzichten muss.« Zwei Künstler in einer Familie trage der auf Individualität getrimmte Markt einfach nicht. Im Fall Droese blieb der weibliche Part auf der Strecke – zumindest, was den Erfolg auf dem Markt und in den Medien angeht. Ein Muster, das auch aus dem Wallraf-Richartz-Museum gut bekannt ist, wobei das Ungleichgewicht natürlich ganz unterschiedliche Gründe haben kann.

Vielleicht hat bei den Droeses ja auch Irmels Karrierestart eine Rolle gespielt, denn der stand ganz und gar unter finanziellen Vorzeichen. Sie wollte sich nach dem Studium um das Auskommen ihrer Familie kümmern. »Wir hatten ja das kleine Kind und Felix war noch so jung«, lächelt die Künstlerin – sie ist sieben Jahre älter als ihr Mann. Zuerst versuchte die junge Familienmutter es als Lehrerin, schwenkte aber schnell wieder auf die kreative Schiene zurück und verdingte sich ein paar Jahre als Solo-Puppenspielerin mit selbst entworfenen Figuren, eigenen Stücken und der Bühne auf den Schultern. Ein schöner, aber harter Job.

Getrennte Ateliers

Paula Modersohn-Becker (1876–1907). Selbstbildnis mit Hut und Schleier, 1906/07. Collection Gemeentemuseum Den Haag, The Hague, The Netherlands. Foto: © Sylvia Korving
Paula Modersohn-Becker (1876–1907). Selbstbildnis mit Hut und Schleier, 1906/07. Collection Gemeentemuseum Den Haag, The Hague, The Netherlands. Foto: © Sylvia Korving

1981 war Felix Droese soweit: Bei der wichtigen Kölner »Westkunst«-Ausstellung fand der Newcomer mit seinen riesigen Papierschnitten Aufnahme in die Riege des gefeierten Künstlernachwuchses. Während er nun die Leiter weiter hinauf kletterte und die finanzielle Frage sich damit erledigt hatte, streckte sie ihre künstlerischen Fühler, nicht ohne Erfolg, weiter in alle möglichen Richtungen aus.

Sie malt und zeichnet wieder mehr, schafft Plastisches aus Pappe, Stoff, Papier. Sie gründet 1992 ihr Bewegungstheater, arbeitet mit ihrer Stimme und improvisiert Musik. Nebenan, im aufgeräumten Arbeitsraum, steht ein Flügel, an der Wand hängen malerische Arbeiten und auf der Fensterbank neben Irmel Droese hat ihr alter Freund Platz genommen. Liebevoll legt die Künstlerin ihren Arm um diese eigentümlich menschliche Pappfigur – bei etlichen Auftritten standen sie schon gemeinsam auf der Bühne.

Nach ein paar Schritten durch den Garten gelangt man dann in Felix Droeses Reich und versteht schnell, warum das Paar die anfängliche Frage nach einem gemeinsamen Atelier mit einem beiderseits breiten Lächeln verneint hatte. Denn dort empfängt einen ein chaotisches Gemisch aus Werkstatt, Lager und Müllhalde. »Felix ist eben eher der Kompostkünstler«, kommentiert seine Frau. Mitten drin steht das gigantische »Tier vor der Schwelle«. Der gut acht Tonnen schwere Stier aus Eichenholz machte schon vor zehn Jahren bei der Art Cologne Furore. Ein Käufer hat sich bisher nicht gefunden, gesteht der Künstler freimütig. Droese kann absolut glaubhaft vermitteln, dass der Kunstmarkt-Zirkus nicht seine Welt ist. »Die Leute wissen, wo ich bin und was ich mache – wenn sie was von mir wollen, sollen sie kommen.«

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Und woran arbeitet er derweil? »Zurzeit mache ich nix.« Doch im Garten warten zwei dicke Baumstämme. Ob sie es schon einmal mit Teamwork probiert haben? Ja, einen Versuch gab es, sagt Irmel Droese. Doch der sei nicht sehr erfreulich gewesen. Für eine Galerieausstellung hätten sie gemeinsam gemalt, beide an einem Bild. Als es ans Verkaufen ging, sollten die Werke dann billiger sein als Felix Droeses Soloarbeiten, sagt die Künstlerin. »Nur weil ich mitgemalt hatte.« //

Text: Stefanie Stadel / erschienen in K.WEST Ausgabe Dezember 2008