Bochum. Das Museum Bochum zeigt Arbeiten der jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon (1917-1943): das sehr persönliche Kompendium einer jungen Künstlerin, die ihre Umwelt aufsaugte.

Einen sehenswerten ersten Jahresaufschlag hat das Kunstmuseum Bochum mit der Ausstellung „Charlotte Salomon. Leben? oder Theater?“ zu bieten.

Der weite, große Saal im Obergeschoss des Kunstmuseum ist leer bis auf die zahllosen kleinformatigen Bilder an der Wand. Nirgends sonst kann sich das Auge festhalten, als an dieser geballten Konzentration von Kunst, die sehr anziehend daherkommt, und die doch an kreativer Durchdringung der Wirklichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Ausgestellt ist das so gut wie vergessene Werk der Berliner jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon (1917-1943), die sich vor dem erst bedrohlichen, am Ende tödlichen Hintergrund der NS-Diktatur in sehr kurzer Zeit üppig entfaltete und dann einfach vergessen wurde. Mit 26 Jahren wurde Salomon im KZ ermordet.

Gezeigt werden 278 Originalblätter eines 769 Exemplare umfassenden Konvoluts, das im Jüdischen Historischen Museum Amsterdam bewahrt wird. Die Blätter zeichnen den Lebensweg Salomons nach; sie malt ihr Zimmer, die Gesichter ihrer Angehörigen und der Künstlerfreunde in Berlin, sie malt die elterliche Wohnung, aber sie hat auch schon den Aufmarsch der braunen Horden mit der Hakenkreuzfahne am 30. Januar 1933 im Blick. Es ist dies das sehr persönliche Kompendium einer jungen Künstlerin, die ihre Umwelt aufsaugte, und das Gesehene, Erlebte, Erfahrene in ganz eigener Handschrift transformierte. Die Skizze einer weiblichen Gestalt, die, am Meer sitzend, zeichnet, gibt der Ausstellung den Namen „Leben? oder Theater?“. Wer weiß das schon zu sagen?

Charlotte Salomons Blätter lassen sich nicht einem kunstgeschichtlichen Genre allein zuordnen, expressionistische Schroffheit blitzt ebenso auf wie die verspielte Figurenhaftigkeit eines Chagall, oder ein beinahe „naiv“ wirkender Gestus. Immer aber sind ihre Gouache-Malereien Spiel und Absicht zugleich, stecken sie voll Spontaneität und Kalkül. Gerade weil sie keinem Stil folgen, sind sie stilistisch überzeugend. Manches wirkt wie ambitionierte Kunst, anderes verknappt, wie ein Comicstrip. Oft fließen Texte, Zitate und Gedichtzeilen als schriftliche Grundierung des Gemalten mit ein.

Neben Charlotte Salomon gab es viele Künstlerinnen und Künstler, die wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten umgebracht wurden; oft unterliegt der Blick auf deren Werk aus heutiger Zeit der Gefahr, eher als historisches Dokument des Grauens denn als eigenständiges Oeuvre betrachtet zu werden. Die Ausstellung in Bochum vernachlässigt die tragischen Aspekte in Salomons Biografie nicht, legt aber klar den Schwerpunkt auf das Schaffen einer Künstlerin, die schon in jungen Jahren Würde und Bedingungslosigkeit in ihrer Arbeiten packte, die heute noch anrührt.