Colombo. Sie zersägen Schwertgriffe, bohren Buddhas in den Bauch und stehlen aus dem Nationalmuseum: Schatzsucher in Sri Lanka machen offenbar vor nichts Halt. Mehr als ein Kulturgut pro Tag wird so zerstört.
Die liegende Buddha-Statue in Danagirigala auf Sri Lanka hat nur noch ein Auge. Das andere haben Schatzräuber herausgeschnitten. Auch das steinerne Kissen, auf das der Buddha sein goldenes Haupt mit gelockten Haaren bettet, hat ein Loch.
"Die Täter hofften, darin Gold, Silber, Edelsteine oder Elfenbein zu finden", sagt Senarath Dissanayake, der Generaldirektor des Amtes für Archäologie der Insel. Dabei gebe es auf Sri Lanka in fast keiner archäologischen Stätte etwas zu holen.
"Die Schatzsuche basiert nur auf Folklore von großen Reichtümern, hat aber keine wissenschaftliche Basis", erklärt Dissanayake. Die Täter seien in Danagirigala genauso mit leeren Händen heimgegangen wie in Danowita, wo sie eine Stupa (buddhistisches Bauwerk) unter einem Felsvorsprung einschlugen, und in Nurwarakanda, wo sie einen sitzenden Buddha in die Brust, den Bauchnabel und ins Podest bohrten.
Archäologen haben kaum eine Chance gegen Möchtegern-Räuber
In den vergangenen zwei Jahrzehnten nahm die Polizei der Tropeninsel mehr als 4000 Fälle auf. 2012 und 2013 waren es besonders viele: der Boden von Höhlen wurde umgegraben, Häuser von ehemaligen Häuptlingen eingerissen und Mönchs-Bleiben zerstört - im Durchschnitt mehr als eine Tat pro Tag. "Der Trend ist eine Folge davon, dass die Menschen keine Moral und Ethik mehr haben", sagt Dissanayake.
Die Archäologen haben kaum eine Chance gegen die Möchtegern-Räuber. Laut Dissanayake gibt es auf der kleinen Insel etwa 250.000 historische Stätten, "die höchste Dichte weltweit", meint er.
Selbst aus dem Nationalmuseum in der Hauptstadt wurde schon geklaut. Später wurde das metallene Schwertheft aus der Zeit des Königreichs von Kandy (Ende 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts) wiedergefunden - in vier Stücke zersägt.
All die traurigen Geschichten laufen bei Udeni Wickramasinghe zusammen, der Chefin der Spezialeinheit zur Verhinderung von Zerstörung und Diebstahl von Antiquitäten.
"Das Problem ist, dass viele Menschen nicht zwischen faktenbasierter Geschichtsschreibung und mythischen Epen unterscheiden können", sagt sie. Zu der Buddha-Statue mit den drei Löchern gebe es eine Geschichte, wonach die buddhistischen Mönche all ihre Kostbarkeiten darin versteckten.
Wickramasinghe schrieb ihre Doktorarbeit über die Ausgrabungen an der Stupa Neelagiri. Diese lag bis 2009 mehrere Jahrzehnte im Gebiet der Terrororganisation LTTE - und wurde damit nicht Ziel von Schatzräubern.
"Menschen, die gierig sind, vergessen ihre Religion"
Nach dem Ende des Bürgerkrieges gruben Wickramasinghe und ihre Kollegen jahrelang rund um den riesigen, halbkreisförmigen Grabhügel. "Wir fanden Inschriften, 20 Töpfe, Perlen, 150 Mini-Pagoden und ein paar Halbedelsteine. Viel von spirituellem, aber nichts von großem materiellen Wert", sagt sie.
Trotzdem halten sich in Sri Lanka hartnäckig Geschichten über einen Polizeichef, der einen Schatz aus dem Dschungel holte. Oder einen Mann, der mit seinem Bagger eine Stupa aufbrach und mit der Beute ein eine Million Dollar teures Auto kaufte. "Menschen, die gierig sind, vergessen ihre Religion", klagt der Mönch und frühere Parlamentsabgeordnete Ellawala Medhananda.
Den Tätern sei es egal, ob ein Bauwerk aus dem 4./5. Jahrhundert stamme oder symbolisch besonders wichtig sei, sagt Medhananda, der auch zahlreiche archäologische Bücher veröffentlicht hat. "Ich bin so traurig, dass unsere reiche nationale Kultur zerstört wird. Dabei geht Einzigartiges verloren." (dpa)