Berlin.. Premiere auf der Berlinale: Regisseurin Sam Taylor-Johnson hat die Erotik-Schmonzette „Fifty Shades of Grey“ von den übelsten Klischees befreit.
Christian Grey (Jamie Dornan) ist unfassbar reich und wahnsinnig schön. Er hat einen irrsinnigen Körper. Und er hat ein Geheimnis. Ein dunkles Geheimnis. Nein, nicht diese Sache mit den rotledernen Sado-Maso-Spielzimmer mit seinen Peitschen, Stahlgittern und der mittelalterlichen Folterkammer-Optik.
Da ist noch etwas anderes. Etwas, das den schönen, reichen, geheimnisvollen Mann nachts auf seinem Flügel traurige Sonaten spielen lässt, während sich vor der gigantischen Fensterfront die erleuchtete Skyline Seattles räkelt. Etwas, das einen erwachsenen, intelligenten Menschen dazu bringt, sich nichts sehnlicher zu wünschen, als einen Menschen, den er besitzt. Aber was ist es?
Wir werden es nicht erfahren. Zumindest nicht in diesem, dem ersten Teil der Trilogie „Fifty Shades of Grey“, der eine bis dato unbekannte britische Mittvierzigerin universal bekannt gemacht hat. Hundert Millionen Mal hat sich die „Grey“-Reihe der Autorin E. L. James verkauft. Das ist eine Zahl, die genau so unglaubwürdig und übertrieben klingt wie die ganze klischeebeladene Erotik-Schmonzette zwischen dem sadistischen Milliardär Christian Grey und seinem Aschenputtel, der scheuen, fleißigen, jungfräulichen Studentin Anastasia Steele, genannt Ana. Die Kritiker haben die Bücher gehasst. „Mommy Porn“, Mütterporno haben sie es genannt. Die Fans haben es geliebt.
Enttäuschend für Erotik-Fans
Am Mittwoch feierte der Film Weltpremiere. Und das auf einem Festival, zu dem er so gut passt wie Sexspielzeug zu einer romantischen Komödie. Damit folgt der Film der Fessel-Logik des Buches: Wenn man nur weiß, wie es geht, kann man Erregung auch genau so gut künstlich erzeugen. Vielleicht sogar noch besser. Kein Mommy-Porn mehr. Sondern ein etwas gewagterer Liebesfilm, der vor allem jüngere Frauen verzücken wird. Erotik-Film-Fans werden enttäuscht. Die wenigen Sex-Szenen würden im Beate-Uhse-Shop belächelt, bestenfalls. Leicht gerötete Wangen, ein Ansatz von Scham, die Riemen einer Peitsche, die über Brüste gleitet, Pfauenfedern und eine überschaubare Anzahl von Schlägen – viel mehr wird nicht geboten.
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Diese Ana hat Taylor-Johnson geknebelt. An ihre Stelle tritt die eine Frau, die etwas hat, was der Buchvorlage ganz abging: Humor und Selbstvertrauen. Dakota Johnson, die die Anastasia spielt, ist bislang fast nur als Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson aufgetreten. Mit ihrer Rolle in „Fifty Shades of Grey“ ist das vorbei. In den wenigen Momenten der Freiheit zeigt ihr eindringliches Spiel Anas Konflikt zwischen Liebe und Freiheit. Ana ist Mensch geworden. Der Schmerz sei nur „die Angst ist in deinem Kopf“, sagt Christian zu ihr. Ähnlich verhält es sich mit der Verfilmung von „Fifty Shades of Grey“. Der starke Mann, der Angst vor der Liebe hat und der nur auf die richtige Frau wartet, um gerettet zu werden, ist die ultimative Frauenfantasie. Darüber nachzudenken, kann seine Reize haben.