Oberhausen. Eine neue Ausstellung im Schloss Oberhausen zeigt ab Sonntag Fotos von Rudolf Holtappel. Er hat zwar das Ruhrgebiet fotografiert. Doch er war stets mehr als nur ein Ruhrgebietsfotograf.
Rudolf Holtappel ist mehr als ein Ruhrgebietsfotograf, auch wenn er, 1923 in Münster geboren, in Duisburg aufgewachsen, von Mitte der 50er-Jahre bis wenige Wochen vor seinem Tod im Jahr 2013 unablässig hier und von hier aus gearbeitet hat.
Holtappels hochformatiges Landschaftspanorama „Rheinreede vor Ruhrort“ mit einem Gewimmel von Lastkähnen auf dem silbrig glänzenden Strom und einem fast tintenschwarzen Ufer hat der Bundestag angekauft; Holtappels Fotos für den Karstadt-Konzern, für den er von 1964 bis 1995 sämtliche Filialeröffnungen und Schlussverkäufe in ganz Deutschland fotografierte, waren 2011 im Museum Wiesbaden unter dem treffsicheren Titel „Menschen im Warenhaus“ zu sehen; und Holtappels „Wahrsagerin“, eine schreiend komische Jahrmarktszene mit zwei tiefernsten Frauen bei der Betrachtung der Zukunft, die auf der Hand liegt, wurde bei der Uno in New York ausgestellt, nachdem es einen Wettbewerb gewonnen hatte.
„Seine Bilder haben immer eine Struktur“
Nun sind ab morgen Holtappels Bilder unter dem Titel „Augenzwinkern“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen. In der Tat zeigen viele Fotos Holtappels Sinn für hinter- wie vordergründigen Humor, für Komik und Witz gleichermaßen. Stets erzählt er kleine Anekdoten mit seinen Bildern: Da steht der steife Mann im Wollanzug und mit Papieren unterm Arm etwas schief und will so gar nicht zum Schwimmbad dahinter passen; da hockt der Lehrer, der seine Glasbausteinbrille abgenommen hat, und beugt sich im Millimeterabstand über die winzigen Kästchen eines Formulars. Da sind die skeptisch auf die Sonderangebote äugenden Kundinnen im Karstadt-Ausverkauf und die fünf gerupften Gänse an der Leine, die er wegen des quicklebendigen Huhns darunter mit dem Titel „Die Zukunft hat schon begonnnen“ versah. Selbst das klassische Stahlarbeiterbild am Hochofen lockert er mit einem auf, der sich am glühenden Ende einer Eisenstange eine Zigarette anzündet.
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Die Ausstellung, die zusammen mit der gleichzeitigen Retrospektive auf die Serientäterin Herlinde Koelbl einen beglückenden Nachmittag für Fotofreunde ergibt, könnte auch „Die Form des Augenblicks“ heißen. Holtappels Bilder „haben immer eine Struktur“, sagt Museums-Chefin Christine Voigt, die Kuratorin der Ausstellung. Deshalb wechselte er auch oft das Format, hoch, quer, quadratisch.
Experimentierfreudig bis ins hohe Alter
Grafische Kunstfotografie konnte er auch, die Choreografie der „Ruhrchemie“-Rohre vor hellem Himmel beweist es. Und er experimentierte auch: Die Doppelbelichtungen auf Porträts seiner Frau Herta erinnern an Man Ray und Moholy-Nagy. Und noch im hohen Alter ließen seine Versuche mit Talbotypien („Salzprint“) und „Cyanotypien“ („Blaudruck“) die 20er-Jahre wieder aufleben.
Ruhrgebietsblagen in Hinterhöfen wie auf der Straße, Schichtwechsel auf der Gutehoffnungshütte – und dann das große Konvolut aus dem Theater: Holtappel fotografierte Peter Handke und die Uraufführungen seiner frühen Dramen in Oberhausen; seine Fotos wurden zum Teil sogar zu Bühnenbildern – vor denen er dann wiederum selbst einzelne Szenen fotografiert hat.