Essen. Das neue Deichkind-Album “Niveau Weshalb Warum“ sagt Kluges im Partymodus – und bewegt sich wie immer genau an der Grenze zwischen Irrsinn und tiefer Ernsthaftigkeit.
Die Helden sind müde. Sebastian „Porky“ Dürre (37) liegt auf dem Sofa des Berliner Hotels, sein Kollege Philipp „Kryptic Joe“ Grütering (40) sitzt daneben und reibt sich die Schläfen. Dabei kennt man Deichkind doch nur als unkaputtbare Energiebolzen. Aber Dürre klagt über Champagner – „ab morgens um elf Uhr schon, das halten selbst wir nicht aus.“ Der Kollege DJ Phono sei schon heimgewankt. Sie hatten sich auf ein Trinkspiel mit Journalisten eingelassen. Philipp Grütering:. „Wir sind nun einmal Kindsköpfe und dachten, das wird superlustig...“
Womit wir mitten im Herz von Deichkind wären. „Niveau Weshalb Warum“ heißt das neue Album, der Titel ist natürlich eine Hommage an das alte Sesamstraßen-Lied, genau wie die nächste Zeile im Titelsong: „Wer uns fragt bleibt dumm“. Deichkind zählen längst zu den größten Bands des Landes. Wirklich bekannt sind sie seit der legendär lustigen Partynummer „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ von 2006, ihr vor drei Jahren erschienenes Album „Befehl von ganz unten“ kam auf Chartplatz zwei, doch es sind vor allem die Konzerte, mit denen Deichkind die Massen euphorisiert. Auf der Bühne werden sie diesmal silberne Anzüge mit eingenähten, wild blinkenden Handys tragen, ein Spiel mit der totalen Vernetzung der Gesellschaft.
Techno, Hip-Hop - und Wahnsinn
Bei niemandem sonst hierzulande ist die Grenze zwischen Ernsthaftigkeit und Irrsinn so durchlässig wie bei Deichkind. Nicht von ungefähr übernehmen die Leute immer wieder Deichkind-Phrasen wie „Arbeit nervt“, „Bück dich hoch“ oder „Leider geil“.
Nun kehrt die Band zum brutzelnd servierten Brimborium zurück, klopfen sich aus Techno, Hip-Hop, Pop und Wahnsinn Stücke zurecht. Dabei ist das Komplizierteste, unkomplizierte Songs zu machen. Anspruchsvoll klingen diese Hymnen mit ihrer Nähe zu Trash-Party-Musik a la Scooter ja wirklich nicht. Häufig blitzt zwar noch das HipHop-Fundament der drei Rapper durch („So’ne Musik“), aber man schreckt auch nicht vor Großraumdiscokrach zurück. Das nach Ibiza-Techno klingende „Porzellan und Elefanten“ sei selbst einigen Bandmitgliedern zu krass kommerziell gewesen, räumen sie ein.
Was hängen bleibt: "Like mich am Arsch"
In „Die Welt ist fertig“ wiederum nehmen sie tatsächlich mal das Tempo raus, und das clubbig-coole „Oma gib Handtasche“ kommt komplett ohne Text aus. Trotz derlei massentauglichen Brechstangen-Geballers haben die Musiker viele gescheite Dinge zu sagen – über die Gesellschaft, über die Art, wie wir leben, über uns.
Welche Sätze diesmal hängenbleiben? „Like mich am Arsch“, auch wenn der Slogan, so Porky, „voll 2012“ sei. Die Nummer setzt sich kritisch mit dem Kommentierungsirrsinn bei Facebook & Co. auseinander. Und: „Denken Sie groß“, auch musikalisch eine der besten und griffigsten Nummern der Platte. Zu lustigen Zeilen wie „Bauen Sie kein Reihenhaus, bauen Sie einen Vorort“ hagelt es Kritik an der „Höher, schneller, weiter“-Mentalität, um diese gleichzeitig ganz okay zu finden. Die übliche Deichkind-Ambivalenz eben.
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