Troisdorf. Es begann nicht erst mit Ali Mitgutsch: Eine Ausstellung im Bilderbuchmuseum Burg Wissem zeigt, dass Wimmelbilder uralt sind – und für jedes Alter.

„Opa, du kannst eine Baumaschine sein“, kräht das Mädchen. Es kann so gerade eben über die Mauer gucken. Die kleine Häuslebauerin rückt den Bauhelm zurecht und reicht ihrer Schwester Ziegelsteine an. Die Baustelle für ihr Haus liegt an der Straße, links ein Obststand, rechts eine Litfaßsäule und ein Eisstand. Dieses schöne Wimmelbild ist eine der Mitmachstationen in der Wimmelbild-Ausstellung des Bilderbuchmuseums Burg Wissem.

„Wimmelbilder gibt es schon lange“, weiß Museums-Chefin Pauline Liesen. Schon seit Gemälden wie Pieter Bruegels „Kinderspiele“ (um 1560) oder Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“ (um 1528). „Das Prinzip ist immer gleich: Eine Szene oder ein Panorama wird entworfen, in dem Vieles gleichzeitig passiert“ – diverse Schauplätze erzählen diverse Geschichten.

Der Reiz von Wimmelbilderbüchern ist, dass sie Seh-, Sprech- und Konzentrationsbilder in einem bieten: „Es erfordert eine andere Anstrengung, auf einer Seite zu verweilen, wenn sie keinen Text enthält,“ sagt Liesen. Die Bücher seien ein „All-Age-Produkt“ – die Kleinsten schauen sich nur die Bilder an, zeigen auf einzelne Szenen. Ältere Kinder formulieren erste Sätze, später ganze Geschichten.

Zuverlässig weiße Weihnachten

So stellen die Bücher von Stella Dreis eine echte Herausforderung – auch für Erwachsene – dar: In „Grimms Märchenreise“ ist jedes Bild eine Collage aus sieben Märchen. Zusätzlich ist in jedem sieben Mal das Rotkäppchen versteckt.

„An Ali Mitgutsch kommt man einfach nicht vorbei“, lächelt Pauline Liesen, „mit ihm gab es in den 60ern einen ersten Boom der Wimmelbilderbücher.“ Eine ganz andere Form des Genres entwickelten Hans-Jürgen Press und sein Sohn Julian: Die Reihen „Die schwarze Hand“ oder „Finde den Täter“ beschreiben auf einer Seite, was ein Mensch erlebt und stellen am Ende Fragen, die Leser mithilfe der darauf folgenden Illustrationen beantworten können.

Wimmelbilderbücher können auch zusammenhängende Geschichten erzählen. Das zeigen die Illustrationen des Niederländers Thé Tjong-Khing: In „Die Torte ist weg“ sieht man in der ersten Szene zwei Ratten, die auf eine Torte zustürmen. Zwei Hunde schauen entsetzt zu. Im Hintergrund fliegt ein Kranich über den Wald, ein Fußball schießt durch die Blätter, weitere Gestalten werden angedeutet. Im zweiten Bild verfolgen die Hunde die Ratten mit der gestohlenen Torte. Der Kranich schließt sich der Verfolgungsjagd an. Im Hintergrund ist weiterhin der Fußball zu sehen – aber jetzt erkennt man, dass er von einem Frosch zum anderen geschossen wird. Weitere neue Personen erscheinen in der Ferne und rücken mit jeder Szene weiter in der Vordergrund.

Komplette Geschichten, die sogar bücherübergreifend fortgeführt werden, finden sich bei Rotraut Susanne Berner. Ihren Jahreszeiten-Wimmelbilderbüchern ist die erste Etage des Museums gewidmet. Fertige Bilder, Skizzen, Notizen und Entwürfe geben einen Einblick in die Arbeit der Illustratorin. „So können die Kinder sehen, dass so ein Wimmelbild handgemacht ist und nicht immer alles gleich perfekt sein muss.“ Das Besondere bei Rotraut Susanne Berner: Geschichten setzen sich über die Jahreszeiten fort: „Im Winter sieht man die Baustelle eines Kindergartens, der im Sommer fertig ist.“

Auf einem handschriftlichen Figuren-Fahrplan hat Berner festgehalten, was die gezeichneten Helden in den Büchern erleben. Für die Katze Monika ist dort im Winter vermerkt: „Macht einen Ausflug übers Dach vom Obststand zum Fischladen... und zuletzt in den Park, wo sie mit Oliver Schlitten fährt.“ Anders als im wahren Leben gibt es im Wimmelbild zuverlässig weiße Weihnachten.