Washington. . In den USA läuft der Hollywood-Streifen „The Interview“ nicht an, der Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un lächerlich macht. Es gab Terrordrohungen.
Dass sich der Humor von Amerikanern und Nordkoreanern prinzipiell unterscheidet, war schon erkennbar, als die respektlosen Macher von „South Park“ vor zehn Jahren in dem Marionetten-Film „Team America“ den damaligen Herrscher in Pjöngjang als fiesen Möpp zeigten. Der Diktatorenzwergstaat ging auf die Palme. Dabei ließ Hollywood Kim Jong-Il noch am Leben. Seinem teiggesichtigen Nachfolger Kim Jong-Un ist das in „The Interview“ nicht vergönnt.
In dem Streifen, der am 1. Weihnachtsfeiertag in die US- und im Februar 2015 in die deutschen Kinos kommen soll(te), spielen die Stars James Franco und Seth Rogen zwei amerikanische Fernsehleute, die ein Exklusiv-Interview mit dem nordkoreanischen Diktator bekommen – und ihn dabei auf Geheiß der CIA um die Ecke bringen sollen. Alles fiktiv. Am Ende aber, so viel sei verraten, platzt Herrn Un nicht nur der Kragen . . .
Schon im Sommer drohte Pjöngjang mit „erbarmungsloser Vergeltung“, falls die vom Hollywood-Riesen Sony Pictures produzierte Klamotte tatsächlich auf die Leinwand komme. Real existierende Personen der Zeitgeschichte im Kino zu meucheln, verlauteten die stalinistischen Geschmackswächter, das gehe nun gar nicht. Das anfängliche Lachen über die Cine-Zensur aus Fernost ist der Filmindustrie in den USA längst vergangen. Die Internet-Hackergruppe „Guardians of Peace“, hinter der die Regierung in Washington das Regime in Nordkorea vermutet, hat nicht nur eine Flut geheimer Daten, Drehbücher und E-Mails von Sony abgefischt, was seit Wochen für Missmut und Ärger in Hollywood sorgt. Sondern jetzt auch mit Terror-Anschlägen von der Dimension des 11. Septembers 2001 gedroht.
Fast alle großen Kinoketten Amerikas von Landmark‘s über AMC und Carmike bis Regal bekamen kalte Füße. Aus Sorge um die Unversehrtheit von Personal und Kunden bleibt es in ihren Sälen am 25. Dezember interviewtechnisch dunkel. Sony hat die Premiere verschoben und den Film bis auf weiteres abgesetzt. Ein beispielloser Akt der Feigheit vor einem auf Einschüchterung spezialisierten Schurkenstaat, der stets bellt und doch nicht beißt?
Niederlage im „ersten Cyberkrieg“?
„Mit dem Sony-Versagen hat Amerika seinen ersten Cyberkrieg verloren. Das ist ein sehr, sehr gefährlicher Präzedenzfall“, warnte der republikanische Politiker Newt Gingrich. Der Schauspieler Steve Carell stellte einen „traurigen Tag für die kreative Entfaltung“ fest und benutzte dafür den Titel eines berühmten Films von Rainer Werner Fassbinder: „Angst essen Seele auf“. Experten warnten gestern davor, den einmaligen Sony-Rückzieher auf die leichte Schulter zu nehmen. Wer im stummen Wettrennen der Supermächte im Cyberspace nachgebe, riskiere, dass demnächst „nicht nur Film-Produzenten, sondern auch Buchverlage, Fernsehsender, Zeitungen und Internetportale Zielscheibe von digitaler Erpressung werden“.
Die Wutwelle ist Pjöngjang nicht verborgen geblieben. Umgehend bestritt die Regierung eine Beteiligung an dem „Anschlag auf die Freiheit der Kunst“ (Wall Street Journal), bekundete aber klammheimlich Freude über den Rückzug Hollywoods. Aber noch ist das „Interview“ nicht vom Tisch. Präsident Obama persönlich riet seinen Landsleuten, so bald wie möglich eine Karte für das Spektakel zu lösen. Und wenn alle Stricke reißen, hat der Film-Kritiker des „Time“-Magazins eine Notlösung parat. Sony soll den Film via „Streaming“ auf die heimischen Fernsehbildschirme bringen. Überall können die Rache-Engel Kim Jong-Uns ja schließlich nicht sein…