Berlin. . Das Kunstmuseum Bern tritt das Erbe Cornelius Gurlitts an, übernimmt aber nur jene Werke, die nicht im Raubkunst-Verdacht stehen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte: Die Schweiz ist ein „guter Ort“ für die Sammlung Gurlitt

Es ist nicht der Schlusspunkt, aber ein wichtiges Etappenziel: Das Kunstmuseum Bern tritt das Erbe des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an – trotz vieler offener Fragen zur Herkunft der über 1500 Kunstwerke. Die wichtigste Bedingung für die Schweizer: Alles, was sich als NS-Raubkunst erweist oder auch nur in diesem Verdacht steht, bleibt in Deutschland. Nichts davon dürfe „über die Schwelle des Kunstmuseums“ oder überhaupt „auf Schweizer Boden“ kommen, hieß es gestern von Berner Seite.

Rund ein Jahr nach dem Bekanntwerden des „Schwabinger Kunstfunds“ haben sich die Beteiligten jetzt auf eine Lösung geeinigt: Wie in Gurlitts Testament festgelegt, geht seine Sammlung nach Bern – mit Ausnahme der bislang knapp 500 Kunstwerke, bei denen zumindest ein Verdacht auf Raubkunst besteht. Eindeutig geklärt ist die Frage bislang jedoch erst in drei Fällen: Bei Max Liebermanns „Zwei Reiter am Strand“, Henri Matisses „Sitzende Frau“ und Carl Spitzwegs „Klavierspiel“, das dem Leipziger Verleger Henri Hinrichsen gehörte.

Weitere rund 480 Werke, die unter den Nationalsozialisten als „Entartete Kunst“ diffamiert worden waren, werden dagegen neben vielen unumstrittenen Werken von den Schweizern übernommen – allerdings mit der Auflage, sie jenen Museen für Ausstellungen auszuleihen, die die Werke besaßen, bevor sie von den Nazis eingezogen worden waren.

Die Schweiz sei ein „guter Ort“ für die Sammlung, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters gestern in Berlin. „Für viele Künstler war die Schweiz ein Zufluchtsort, nicht nur Liebermann hat seine Werke Schweizer Museen in Obhut gegeben.“ Unbeeindruckt zeigte sich Grütters gestern vom Vorgehen der 86-jährigen Uta Werner, einer Cousine Gurlitts, die Ende letzter Woche überraschend die Erbschaftsregelung in Frage gestellt hatte. Werners Einwand: Gurlitt sei nicht zurechnungsfähig gewesen, als er sein Testament zugunsten des Berner Kunstmuseums verfasste. Grütters hält dagegen: Das Testament sei notariell beglaubigt, es gebe Gutachten über Gurlitts damalige Verfassung. Die Schweizer sehen die neuerliche Wende gelassen: „Wir gehen davon aus, dass alles so bleibt“, erklärte Marcel Brülhart, Anwalt des Museums gegenüber dieser Zeitung.

In der deutsch-schweizerischen Vereinbarung, die gestern in Berlin unterzeichnet wurde, verpflichten sich der Bund und das Land Bayern, die Arbeit der „Task Force“ zur Aufklärung der NS-Raubkunst in Gurlitts Sammlung fortzusetzen und geraubte Werke „zeitnah“ den Erben zurückzugeben. Doch „zeitnah“ ist ein dehnbarer Begriff: Tatsächlich haben sich die Beteiligten eine Frist bis 2020 gesetzt, um die Biografien sämtlicher Bilder zu erforschen und die Erben ausfindig zu machen – auch mit Hilfe von großen Publikumsausstellungen. Was am Ende mit denjenigen Bildern geschieht, bei denen bis 2020 keine Erben zu finden sind, ist noch unklar. Die Schweizer jedenfalls wollen sie nicht haben.

Die ersten der unumstrittenen Werke aus dem Gurlitt-Nachlass könnten schon in den nächsten zwei bis drei Monaten nach Bern übersiedeln – bis die ganze Sammlung in der Schweiz ist, wird es dauern. „Wir stehen am Anfang eines langen Weges“, räumte Christoph Schäublin, Präsident des Stiftungsrats des Kunstmuseums, gestern ein. Von Triumph keine Spur, allenfalls „verhaltene Vorfreude“ sei in Bern zu spüren. Das ist nur verständlich: Gurlitts inzwischen weltbekanntes Vermächtnis lastet schwer auf den Schultern des Schweizer Museums. In kluger Voraussicht haben die Berner deswegen noch einen weiteren Passus in die Vereinbarung geschrieben: Die Kosten für Rückgaben oder eventuelle Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit NS-Raubkunst übernimmt die deutsche Seite.