Essen. Er ist ein echter Hörspiel-Freak. Da musste Comedian Bastian Pastewka gar nicht lange überredet werden, die Rolle des Kultdetektivs Paul Temple zu übernehmen. Die Radio-Produktion eines verschollenen Durbridge-Straßenfegers kriegt jetzt Beine: Pastewka und Komplizen touren durch ganz Deutschland mit dem „Fall Gregory“

Schon jetzt sind viele Säle von Siegen bis Essen ausverkauft. Und das wegen puristischer alter Hörspielkunst. Wer das Straßenfeger nennt, liegt richtig: Comedian Bastian Pastewka führt ein Quintett an, das ab Montag mit einer Ausgrabung von Cliffhanger-Papst Francis Durbridge durch Deutschland tourt. Mit dem gebürtigen Bochumer und erklärten Hörspiel-Fan Pastewka sprach Lars von der Gönna über den „Fall Gregory“, alte neue Radiozeiten und Ferien mit Miss Marple.

Was erwartet Ihr Publikum bei einem Live-Hörspiel vom guten alten Durbridge?

Pastewka: Meine vier Kollegen und ich präsentieren eine kleine nostalgische Paul-Temple-Show mit ein paar netten Grüßen an die Gegenwart, ans heutige deutsche Fernsehen, auch ans deutsche Radio.

Etwa der Gag, Christine Neubauer als „Hafendirne“ auftauchen zu lassen – aber nur im Abspann?

Zum Beispiel. Der Anlass ist aber doch ein würdiges Jubiläum: Vor genau 65 Jahren trat Paul Temple erstmals im deutschen Nachkriegsradio auf. „Paul Temple und die Affaire Gregory“ wurde 1949 produziert und danach gelöscht, doch zum Jubiläum haben WDR und SWR dieses verschollene Hörspiel neu produzieren lassen – und uns dazu diese Tour geschenkt.

Ist das vor allem ein Spaß für jene, die einst gebannt vor dem magischen Auge saßen, wenn der britische Superdetektiv Schurken fing?

Man könnte das glauben, tatsächlich aber erhalten wir in diesen Tagen von jungen Leuten tolle, unglaubliche Reaktionen. Die freuen sich über ein richtig langes, schön tüfteliges Krimipuzzle. Man täuscht sich, wenn man glaubt, dass die Hörer von heute das nicht mehr kennen und mögen würden.

Haben Sie noch Ältere in der Familie erlebt, die zum Gänsehaut-Publikum der ersten Stunde zählten?

Klar, ich kenne von meinen Großeltern die Geschichten, wie ganze Familien „dem nächsten Durbridge“ entgegenfieberten. Es war diese alte Hörspiel-Ära, in der die Deutschen das als gesellschaftliches Ereignis erlebten, ja, sich teilweise sogar festlich anzogen, wenn sie gemeinsam vor dem Radio saßen. Noch mehr haben sich natürlich die Kult-Verfilmungen eingeprägt, „Tim Frazer“, „Das Halstuch“ und so weiter. Im Grunde waren die deutschen Durbridge-Fernsehspiele kaum etwas anderes als Hörspiel im Fernsehen. Diese Ruhe, die langen Einstellungen – herrlich.

Ihr Zugriff ist ein bisschen ironischer als bei den alten „Temples“. Ihre Truppe steigt gelegentlich aus, juxt über miese Gagen oder das Frauenbild der 1950er...

Bei unserem Live-Hörspiel nehmen wir unsere Zuschauer freundlich an die Hand. Wir haben den „Fall Gregory“ von 10 Folgen in fünfeinhalb Stunden in eine knappe, spannende Form gebracht. Die Raffung gibt uns auch die Chance, mit dem Publikum „zu spielen“, es selbst zum Detektiv zu machen. Jeder ist eingeladen, sich das anzuschauen, man braucht keinen Vorkenntnisse, man muss nicht einmal Paul Temple kennen.

Sie spielen Temple: ein Herkules an Körper und Geist, finanziell unabhängig, eloquent, stets Gentleman. Das ist doch reiner Pastewka...

Sie sagen es (lacht). Im Ernst: Meine Komplizen und ich können die Fünfziger nicht so einfach ins Jahr 2014 transportieren. Wir verneigen uns zwar vor dieser Kunst, aber man wird hören, dass wir uns überwiegend in der Gegenwart befinden.

Letzte Frage: Mit welchem Ermittler würden sie lieber Ferien machen? Derrick oder Miss Marple?

Miss Marple, aber bitte das Original aus den Christie-Romanen: eine reizende alte Dame, die sehr zuvorkommend ist, sehr schlau und die sehr schnell weiß, wer der Mörder ist. Das wäre natürlich ein Urlaub an der englischen Countryside: kleine Dörfer mit gepflegtem Rasen und gut geölten Gartentoren. Wenn dann am Aussichtsturm die Leiche gefunden wird, kann ja Miss Marple übernehmen – ich schaue in der Zeit ein bisschen BBC-Fernsehen.

Wenn der „Fall Gregory“ nostalgischen Hörspielcharme ab der kommenden Woche auch live aufleben lässt, dann oft in NRW.

  • Nach der Premiere in Siegen (10.11. Apollo-Theater) geht es über Oberhausen (11.11., ausverkauft), Langenfeld (12.11.), das Theater Dortmund (15.11., ausverkauft) bis zur Endstation 2014: Die historische Kulisse der Essener Lichtburg bietet den Rahmen für das Finale am 17.11.

  • Im Jahr 2015 folgen u.a. Termine in Velbert, Bochum, Marl, Witten, Duisburg, Viersen und Düsseldorf.

  • Wer Pastewka lieber daheim lauscht: „Paul Temple und der Fall Gregory“, 107 Min, 2 CD, der hörverlag, 14,95 Euro.