Oberhausen. Die Zeus-Reporter Friedrich Schippers und Leon Ferguson begleiteten den Sprayer Max eine Nacht auf seinen Streifzügen durch Oberhausen. Die Angst erwischt zu werden, war immer mit dabei. Aber obwohl Max auch illegal sprüht, verurteilt auch Schmierereien an Privateigentum. Das seien keine Graffiti.
Es ist drei Uhr nachts und Max läuft durch die Straßen des Stadtteils Sterkrade in der Nähe der Autobahn 2 mit einem verdächtig klimpernden Rucksack. Spraydosen sind darin. Der Sprayer ist auf der Jagd nach geeigneten Orten für seine Werke.
Die Angst, erwischt zu werden, begleitet ihn stets auf diesen Streifzügen. Aber sie hat ihn einen gewissen Respekt vor dem Sprayen gelehrt, der ihm dabei hilft, vorsichtig und vor allem effektiv zu sein.
Seine Kunstform genießt in der Öffentlichkeit keinen guten Ruf. Nicht zuletzt, weil sie oft mit Vandalismus und Schmierereien gleichgesetzt wird. Jährlich entsteht in ganz Deutschland ein geschätzter Sachschaden in Höhe von 200 bis 500 Millionen Euro durch Grafitti.
Wenig Plätze, um legal zu sprühen
,,Maler, die ihre Fähigkeiten benutzen, um gezielt Privateigentum zu verschandeln, sind in meinen Augen kein Teil dieser Kultur“, sagt Max und ergänzt: „Sie sind doch für den schlechten Ruf, den wir haben verantwortlich zu machen.“ Öffentliche Wände sind aber kein Problem für ihn. Auch weil es in Oberhausen nur wenig Plätze gibt, um legal zu sprühen.
Max ist 19 Jahre, geht zur Schule, trainiert viel und malt seit fünf Jahren. Graffiti ist für ihn eine Ausdrucksform. Jeder Maler hat für gewöhnlich einen aus vier Buchstaben bestehenden Namen (Tag), den er für jedes seiner Bilder verwendet. Bei den Tags, so erklärt Max, „geht es mir nicht darum, auf der Straße von anderen Malern erkannt zu werden, kaum einer kennt meinen Künstlernamen.“ Sein Tag will er deswegen auch nicht in der Zeitung lesen. So etwas kommt in der Graffiti-Szene nicht gut an.
Der Kodex der Sprayer
Max ist Teil einer Kultur, die mittlerweile seit über 40 Jahren ihre Heimat in den Großstädten dieser Welt gefunden hat. Die ersten Graffiti-Tags, so wie wir sie heute kennen, tauchten Anfang der 1970er Jahre in New York auf. So verbirgt sich hinter den simplen „Schmiererei“ mittlerweile etwas Größeres: „Wir Writer sind eine verschwiegene Gesellschaft“, sagt Max. Sie haben eine Art Kodex: Keiner wird verpfiffen, keiner wird kopiert und Bilder werden in der Regel nur mit Zustimmung des jeweiligen Malers übersprüht.
Gegen 22 Uhr ist Max noch zu Hause. Die Nacht ist noch jung. Viele „Aktionen“ werden im Normalfall erst spät nach Mitternacht gestartet. Der Grund ist einfach: Die Dunkelheit erleichtert die Tarnung und auf den Straßen ist weniger los.
„Am einfachsten sind für mich die Brücken an den Gleisen“, erklärt Max. Sie sorgen für eine gewisse Sicherheit. „Kaum einer kommt nachts an den Teilen vorbei, aber tagsüber sehen viele auf dem Weg zur Arbeit meine Bilder“, sagt er. Die Königsdisziplin sind allerdings Züge. Max’ letzte Zug-Aktion ist schon lange her. Zu gefährlich seien Züge, verrät er, weil Wachleute und die Polizei einen dabei leicht erwischen können. Das letzte Mal rannte er eine Stunde die Gleise entlang, um zu entkommen.
Es ist jetzt zwei Uhr nachts und Max macht sich langsam bereit. Er packt seine Dosen in Plastiktüten. Zusammen mit ein Paar Latexhandschuhen verschwinden sie in seinem Rucksack. Er nimmt aus Sicherheitsgründen nichts mit, was er verlieren und ihn verraten könnte. Wenig später ist er auf der Straße. Sein Blick ist konzentriert. Mit einer gezielt wirkenden Gleichgültigkeit wandert er durch die Straßen. Er hält Ausschau nach anderen Graffiti und sucht geeignete Plätze – sogenannte „Spots“ –, um zu sprühen. Früher war er häufiger mit mehreren Sprayern in solchen Nächten unterwegs, aber das hat sich geändert.
Ein Leben lang verschuldet
Er erzählt, wie die meisten seiner Freunde vor einiger Zeit mit dem Malen aufhörten. Der Beruf oder die Angst vor Konsequenzen seien Schuld daran. Max sagt dazu nur: „Ich kenne Leute, die aufgrund ihres, nennen wir es Hobbys, ihr Leben lang verschuldet sein werden. Ich kenne auch Geschichten von Leuten, die von Zügen erwischt wurden oder sonst irgendwie Pech hatten.“
Für Max aber bleibt es eine Lebenseinstellung. Obwohl er das Risiko kennt, will er nicht aufhören. Es gehört für ihn zu seinem Leben. Deshalb bleibt er vorsichtig und macht weiter. Während seiner Sprayer-Laufbahn brach er schon mehrere Aktionen ab, weil er kein gutes Gefühl dabei hatte.
Max ist keineswegs gedankenlos oder setzt bewusst mit dem Sprayen seine Zukunft aufs Spiel. Er ist auf dem Weg, sein Abitur zu machen, hat ein geregeltes soziales Leben mit Freundin und seinem Training und sucht sich zur Zeit einen Nebenjob.
So bleiben in dieser Nacht die Spraydosen auch im Rucksack. Es sei zu viel Polizei unterwegs, um in Ruhe zu Werke zu gehen. Er bricht die Aktion ab. Es ist 4.30 Uhr und Max ist wieder zu Hause. Aber bald geht es wieder auf Tour.
Friedrich Schippers und Leon Ferguson, Klasse BM21
, Käthe-Kollwitz-Berufskolleg, Oberhausen