Seit dem Hochwasser im Ahrtal gehen die Kinder der St. Martin-Grundschule in Dernau woanders zur Schule. Bald gibt es ein neues Containerdorf.

Acht Monate sind vergangen, seit das schlimme Hochwasser das Haus von Jans Familie überflutet hat. „Bei uns stand das Wasser im Erdgeschoss und ein bisschen im ersten Stock“, erzählt der Neunjährige. Drei Jahre ging er zur St. Martin-Grundschule in Dernau, doch auch das Schulgebäude stand im Juli meterhoch im Wasser.

Jan und die anderen Schülerinnen und Schüler fahren nun jeden Tag mit dem Schulbus den Berg hinauf nach Gelsdorf. In der dortigen Grundschule sind zwei Klassen der Dernauer Schule untergebracht, vier weitere an zwei anderen Schulen in Leimersdorf und Ringen.

Jan (vorne) mag die modernen Smartboards in seiner Klasse.
Jan (vorne) mag die modernen Smartboards in seiner Klasse. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Hier hat jeder sein eigenes Tablet“, sagt Jan begeistert, und in jeder Klasse hängt eine elektronische Tafel. Auch Paulina (10) mag es hier, aber sie vermisst die Zweit- und Drittklässler ihrer Schule, die sie gar nicht mehr sieht. In Gelsdorf trifft sie nur die Erstklässler, und das ist extra so, denn die Viertklässler sind die Paten für die Kleinen.

Julian (7) zählt dazu, er wohnt in Rech „auf dem Berg“, sagt er, da kam das Wasser im Sommer nicht hin. „Unsere Paten haben uns viel erklärt“, erinnert er sich. „Und wir haben zusammen gefrühstückt. Das war schön.“ Auch Julian mag es, dass es hier keine Kreidetafeln, sondern Smartboards gibt. „Darauf kann man Filme gucken und Fotos zeigen“, sagt der Erstklässler begeistert.

Häuser wurden abgerissen

Im Tal des Flusses Ahr wohnen viele Menschen noch nicht wieder da, wo sie früher gelebt haben. Viele Häuser werden noch renoviert, manche mussten nach der Flut sogar abgerissen werden. Die Erstklässlerin Mia (7) sagt: „Wir haben in Mayschoß unten an der Ahr gewohnt. Unter uns war eine Pizzeria, in der ich immer Salami bekommen habe. Jetzt wohne ich im Oberdorf.“ Die Pizzeria gibt es nicht mehr.

Mia denkt trotz allem auch die Kinder in der Ukraine.
Mia denkt trotz allem auch die Kinder in der Ukraine. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Mia erinnert sich an den 14. Juli, als ihr Papa sie von zu Hause abholte. Ihre Mutter, der Stiefpapa und ihr kleiner Bruder waren im Haus, als nachts das Wasser kam. Mia hatte Glück und musste das Hochwasser nicht direkt miterleben. Aber die Orte am Fluss sind nicht wiederzuerkennen. Trotz allem hat Mia ein großes Herz und denkt in diesen Tagen an die Kinder in der Ukraine, die unter dem Krieg leiden. „Ich spende was an sie“, sagt die Siebenjährige.

Die Trocknungsgeräte brummen

Ralph Stollorz ist der Schulleiter der St. Martin-Schule. Im leeren Schulgebäude unten im Tal zeigt er, bis wohin das Wasser gestiegen ist. Der Putz ist von den Wänden geschlagen, es ist extrem staubig, in den Ecken brummen die Trocknungsgeräte – immer noch. In einem Klassenraum im ersten Stock ist die Tafel noch mit Merkwörtern beschrieben: Vogel, Vater, Vulkan. Das Datum in der Ecke: 9. Juli 2021.

Schulleiter Ralph Stollorz zeigt die Räume der während der Flut zerstörten St.-Martin-Grundschule in Dernau.
Schulleiter Ralph Stollorz zeigt die Räume der während der Flut zerstörten St.-Martin-Grundschule in Dernau. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

In der Turnhalle baumeln noch die Ringe von der Hallendecke, Tische und Stühle sind auf dem verdreckten Hallenboden gestapelt, in einer Ecke ist der provisorisch eingerichtete Waschsalon des Ortes, hier stehen zehn Waschmaschinen und zehn Trockner in Reih und Glied. Am Basketballkorb erkennt man an einer schmutzigen Linie, bis wohin das Wasser im Sommer hier in der Halle stand.

Heizöl-Wasser-Brühe zog ins Gemäuer

Ob die Schule wieder renoviert wird, steht noch nicht fest. Das Heizöl im Keller war im Juli ins Wasser geflossen, die Brühe stand tagelang im Gebäude und zog in die Mauern. Die St. Martin-Schule soll deswegen erst mal in ein Containerdorf in Marienthal ziehen. „Wenn nichts dazwischen kommt, sollen die Container zwei Wochen vor den Sommerferien bezugsfertig sein“, sagt Ralph Stollorz. „Das wäre schön für die Verabschiedung des vierten Schuljahres.“

Die Ganztagsbetreuung findet im Moment in einem blauen Zirkuszelt statt.
Die Ganztagsbetreuung findet im Moment in einem blauen Zirkuszelt statt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Bianca Mies, Klassenlehrerin der vierten Klasse, hätte sich auch vorstellen können, am Standort in Gelsdorf zu bleiben. „Wir fühlen uns hier wohl und gut aufgehoben“, sagt sie. „Wir haben hier viele Spielgeräte, im Containerdorf wird es sicher etwas beengter sein.“ Oben auf dem Berg haben die Kinder zudem ein wenig „heile Welt“, anders als unten im Tal, wo die Folgen des Hochwassers noch überall sichtbar sind. In Dernau gibt es keinen Supermarkt, keinen Metzger und keinen Bäcker mehr.

Betreuung im blauen Zirkuszelt

Im geplanten Containerdorf der St.-Martin-Schule in Marienthal wird es nicht nur Klassenräume und ein Lehrerzimmer geben, sondern auch Räume für die Ganztagsbetreuung. Die ist im Moment in einem großen, blauen Zirkuszelt in Dernau untergebracht. „JUHte Laune“ steht über dem Eingang. Die Hilfsorganisation der Johanniter hat die Kinderbetreuung organisiert. Es gibt sogar eine Spiele-, eine Kuschel- und eine Bauecke im Zelt. „Die Eltern müssen in diesem Jahr keine Gebühren bezahlen“, sagt der Schulleiter.

Paulina vermisst die Zweit- und Drittklässler an der Schule.
Paulina vermisst die Zweit- und Drittklässler an der Schule. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Wiederaufbau in Dernau wird noch lange dauern. Manchmal ist Paulina deswegen traurig. „Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich immer noch das zerstörte Haus von Oma und Opa“, sagt sie. Die Großeltern lebten nach der Flut lange in Bonn. Jetzt sind sie wieder im Ort, aber noch nicht zurück im alten Haus. Das geht vielen so, sie wohnen noch immer in Ferienwohnungen oder Tiny Houses.

Viele große Maschinen arbeiten in Dernau

Jan hat durch die Flut keine Spielsachen verloren, so wie viele andere Kinder. „In meinem Zimmer im ersten Stock war nur ein bisschen Wasser“, sagt der Neunjährige. „Mein Fahrrad ist auch nicht weggeschwommen, da musste nur die Schaltung repariert werden. Meine Schwester hat es bekommen. Ich habe jetzt ein neues Rad.“ Und Jan wird auch in sein Haus wieder einziehen können, wenn es endlich renoviert ist.

Der Baustellen-Atmosphäre in Dernau kann der Viertklässler auch etwas Positives abgewinnen. „Hier sieht man jetzt viele große Maschinen, zum Beispiel den Fendt 936 Vario. Das ist einer der größten Traktoren der Welt!“

Der Förderverein sammelt Spenden

Die Turnhalle ist noch lange nicht wieder benutzbar.
Die Turnhalle ist noch lange nicht wieder benutzbar. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Förderverein der St. Martin-Grundschule Dernau e.V. möchte neue Spielgeräte für die Pausen anschaffen, wenn das Containerdorf steht. Er gibt auch Familien Geld, die viel verloren haben, und es werden Tagesausflüge organisiert.

Das Förderverein-Konto bei der Kreissparkasse Ahrweiler: IBAN: DE37 5775 1310 0000 8924 63

In den Betreff bitte schreiben: Fluthilfe-Aktion Kinderredaktion