Im Jahr 2020 will sich Autorin Cornelia Funke besonders auf zwei Projekte konzentrieren. „Das Labyrinth des Fauns“ ist ihr neuestes Buch.

„Tintenherz“, „Reckless“, „Herr der Diebe“, „Drachenreiter“ – all diese Bücher und noch viel mehr hat Cornelia Funke geschrieben. Die berühmte deutsche Autorin lebt in Kalifornien in den USA. Ihr neuestes Buch ist aber kein Kinderbuch, sondern eher etwas für Jugendliche und Erwachsene. Es heißt „Das Labyrinth des Fauns“. Ein berühmter Fantasy-Film aus dem Jahr 2006 heißt „Pans Labyrinth“. Cornelia Funke schrieb das Buch dazu. Im Interview mit Kinderredakteurin Katrin Martens erzählt sie davon:

Sie haben aus einem Film ein Buch gemacht. Wie kam das?
Cornelia Funke: „Pans Labyrinth“ ist der einzige Film auf der Welt, für den ich das getan hätte. Und Guillermo del Toro ist der einzige Regisseur, für den ich Bilder in Worte verwandeln würde. Ich glaube, sein Film zeigt all das, was Fantasy leisten kann. Er ist zutiefst politisch, zutiefst poetisch und er sagt sehr viel über die Wirklichkeit der menschlichen Existenz. Das Filmposter hängt seit mehr als 10 Jahren an meiner Wand und das Buch war mein Dankeschön an diesen Film.

"Das Labyrinth des Fauns" von Cornelia Funke und Guillermo del Toro. © Fischer Verlag

Ich liebe die Moral, die darin steckt: Wir selbst schmieden mit unseren Entscheidungen unser Schicksal. Wir werden alle im Leben herausgefordert, richtige Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie mit großen Opfern verbunden sind. In der derzeitigen politischen Situation ist das sogar noch unerwartet aktuell geworden.

Wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Etwa anderthalb Jahre.

In vielen Ihrer Bücher geht es um den Kampf gegen das Böse. Was war diesmal anders?
Ich glaube, ich habe bisher noch in einem keinen anderen Buch eine konkrete historische Situation angesprochen. Ich spiele auf politische Situationen an, sie kommen auch vor, aber ich habe noch nie gesagt, das ist 1944, wir sind in Spanien und Faschisten versuchen gerade, eine Gruppe von Widerstandskämpfern zu vernichten.

Sie haben das Buch auf Englisch geschrieben – zum ersten Mal?
Ich hatte vorher schon eine 60-Seiten-Novelle für den Puschkin-Verlag in England geschrieben: „The Glass of Lead and Gold“. Es ist eine Weihnachtsgeschichte, die in London spielt und sie ist gerade bei Dressler auf Deutsch erschienen.

Sie leben schon lange in den USA, aber Deutsch ist Ihre Muttersprache. Was war das für eine Herausforderung, auf Englisch zu schreiben?
Ich habe es schon einmal versucht, bei „Ghostknight“ (Geisterritter). Das ist sieben Jahre her, aber da habe ich es schnell aufgegeben. Beim Faun hatte ich keine Wahl, denn Guillermo sollte ja mitlesen können. Ich habe es unendlich genossen, auf Englisch zu schreiben. Ich habe mir eine sehr strenge Lektorin erbeten, Emma Dryden. Und – es scheint, die englischsprachige Welt liebt meine Prosa noch mehr, wenn ich auf Englisch schreibe. Wenn man den Kritiken glaubt. Ich habe noch nie leidenschaftlichere Reaktionen bekommen, selbst in Deutschland nicht.

Warum arbeiten Sie immer parallel an mehreren großen Projekten?
Ich schreibe meistens acht bis zehn Fassungen von einem Buch. Das heißt, wenn ich eine Fassung fertig habe, kann ich nicht gleich in die nächste stolpern. Das muss man erst mal sacken lassen. Es ist ein wunderbarer Rhythmus, in Büchern zu sein, die sehr unterschiedliche Phasen haben. Im Moment ist mein Hauptprojekt das vierte „Reckless“-Buch. Es ist in der dritten Fassung. Da hat meine Lektorin auch schon mal drauf geguckt. Das Buch ist fertig, aber jetzt poliere ich. Das ist ein ganz anderer Prozess, als das Original zu schreiben. Bei „Drachenreiter“ bin ich gerade in der Hälfte. Und es ist ein Buch für jüngere Leser, dadurch hat es eine andere Art zu erzählen. „Die Farbe der Rache“ ist mir sehr wichtig, weil es das letzte „Tintenherz“-Buch ist, das habe ich halb fertig, aber ich habe vor, mir damit ganz viel Zeit zu lassen. Ich mache nun erst „Reckless 4“ fertig, dann gehört das nächste Jahr der Tintenwelt und dem Drachen. Und ein paar kleineren Projekten.

Sie arbeiten an einem Pflanzenbuch für Kinder. Fangen Sie jetzt mit Sachbüchern an?
Ich war sicher mal eine Hexe. Ich bin schon immer verzaubert von Pflanzen gewesen. In Deutschland kannte ich so gut wie jede Wildpflanze. In Amerika komme ich mir immer noch wie eine Analphabetin vor, weil ich so viele nicht kenne. Ich habe mich mit einer Farmerin aus Colorado, Tammi Hartung, zusammengetan, die fantastische Bücher über Pflanzen geschrieben hat. Sie erzählt die Mythen, die an einer Pflanze hängen, die Heilwirkung, was man damit kochen kann… Wir sind inzwischen eng befreundet und schreiben nun ein Buch zusammen – über 15 Pflanzen. Vom Löwenzahn bis zur Weide, um zu zeigen, wie weit die Bandbreite ist. Meine Aufgabe wird hauptsächlich die Illustration sein.

Sie sind immer schon sehr für den Naturschutz engagiert gewesen. Wollen Sie vermitteln, dass Kinder lernen, die Natur zu schätzen und zu bewahren?
Ja, in meinen Büchern kommt das ja verschlüsselt sehr oft vor. Aber manchmal möchte man Kindern etwas auch direkter näherbringen. Ich unterstütze mehrere Naturschutzorganisationen und lebe inzwischen auf einer Farm, da rückt das Thema noch näher.

Mit Ihren sogenannten Kofferbibliotheken wollen Sie Sachbücher in Schulen bringen. Mit welchem Ziel?
Es gab in den USA immer sehr viele Schulbibliotheken, aber sie werden mehr und mehr weggespart, und nicht viele Lehrer können sich leisen, auf eigene Kosten anregende Bücher für den Unterricht zu kaufen. Meine Stiftung kann da einspringen. Wir werden mal sehen, wie es klappt, wie wir die Schulen aussuchen und wie wir die Bücher versenden, weil die ja nun mal leider schwer sind. Das Porto darf hinterher schließlich nicht mehr kosten als die kleine Bibliothek. Aber ich glaube an die kleinen Schritte, und wenn wir eine Handvoll Lehrer unterstützen können, haben wir vielleicht ein paar Kiesel in den Teich geworfen, die Kreise ziehen.

2018 wütete ein großes Feuer in Kalifornien. Sie mussten Ihre Farm und Ihre Tiere zurücklassen. Ist alles gut gegangen?
Es ist alles gut gegangen dank Alfonso Fuentes und seiner Männer, denen ich den Faun deshalb gewidmet habe. Alfonso hat einen Gartenbaubetrieb und hier vielen Menschen die Häuser gerettet, indem er viele Tage und Nächte die Grundstücke verteidigt hat. Einer meiner Nachbarn hat seine Orchideen-Farm verloren, und viele ältere Häuser sind abgebrannt, deren Besitzer oft unterversichert waren.

Sie hatten damals nach ihrer Flucht vor dem Feuer angekündigt, dass Alfonso eine Rolle in Ihrem neuen Buch bekommen wird…
Er wird eine große Rolle bekommen. Im nächsten Drachenreiter-Buch. Alfonso spricht mit Schlangen und Bienen, er redet mit meinem Apfelbaum und er fängt an zu blühen. Wir nennen ihn alle „El Brujo“, den Zauberer.

Ihre beiden Esel heißen Esperanza und Zorro. Und Ihre anderen Tiere?
Meine Enten heißen Snowy, Sleepy, Howard, Buster, Merry und Pippin. Und meine Hunde heißen Tabetha und Jake. Es sind Farmhunde, eine Mischung aus Großem Pyrenäenhund und Australischem Schäferhund.

Die Stiftung, die Sie gegründet haben, heißt „Saum des Himmels“ Sie haben im April viele Kinder für eine Aktion auf Ihre Farm geholt. Wie war das?
Das war unglaublich schön. Wir haben die Familien eingeladen, Kinder, Eltern und Großeltern. Das Schönste an der Aktion ist, dass die Familien miteinander die Natur erleben. Sie haben Boccia gespielt, Steine angemalt und eine Schnitzeljagd gemacht. Wir haben Rucksäcke mit Ferngläsern und Mikroskopen ausgegeben, mit denen die Kinder herumgehen und Dinge finden konnten. Und wir haben Poster mit allen Wildpflanzen und Tieren aufgehängt, die in Südkalifornien vorkommen. Wir hoffen, solche Veranstaltungen noch sehr oft zu machen.

Waren das hauptsächlich Stadtkinder, die nie in die Natur kommen?
Ja, es waren Latino-Familien aus den härteren Stadtgegenden von Los Angeles. Wir haben uns mit der Organisation 826LA zusammengetan. Sie trainieren das kreative Schreiben mit Kindern aus weniger privilegierten Familien. Die Eltern waren sehr engagiert, es war eine sehr schöne Erfahrung.

Man hat das Gefühl, dass Sie Ihre Farm zu einem Treffpunkt von Menschen machen wollen…
Ja, ich habe sie nur deshalb gekauft. Wer sitzt sonst auf zweieinhalb Hektar allein? Das macht ja keinen Sinn! Ich biete auch Künstlern an, bei mir zu arbeiten und zu wohnen. Ich finde es schön, erfahrene und junge Künstler gemeinsam bei mir zu haben. Sie kommen aus den Bereichen Musik, Malerei, Illustration und Schreiben. Ich habe eine Schreibscheune und weitere Gästehäuser. Die Künstler haben alle ihre Privatsphäre. Das funktioniert fantastisch, weil das Grundstück so riesig ist. Wir kommen zum Frühstück zusammen, zum Essen oder um Dinge zu diskutieren. Ich hatte inzwischen etwa 20 Künstler hier aus England, Spanien, Deutschland, Mexico und Kanada.

Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus?
Der war zunächst in einer alten Traktorscheune, die ich habe ausbauen lassen. Aber inzwischen dient sie oft als Werkstatt für meine Künstler. Derzeit baut Sara aus Leipzig dort gerade Marionetten, davor hat Anne aus Hamburg dort Linoldrucke gemacht. Ich arbeite inzwischen meist im hinteren Teil meines Hauses, wo mein Zimmer ist und eine kleine Terrasse, auf der ich male und schreibe. Das Wetter erlaubt hier ja fast immer, dass man draußen arbeitet.

Sie sind nun wieder aufs Land gezogen, aber in der Stadt haben Sie auch mal gelebt…
Ich habe in Hamburg-Ohlstedt früher im Grunde auf dem Land gewohnt. Dann habe ich zehn Jahre lang in Los Angeles gelebt, ich denke, man muss mal eine solche Stadt-Erfahrung machen. Das war auch zehn Jahre lang aufregend. Ich habe aber immer gedacht, ich muss wieder raus. Wegen der Kinder war es besser, zentral zu wohnen, aber jetzt muss ich nirgendwo mehr hin, also kann ich gut in Malibu wohnen.

Wie alt sind Ihre Kinder?
Meine Tochter Anna wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Sie ist Restauratorin und arbeitet gerade in Charleston an einem U-Boot aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Mein Sohn Ben ist 24 Jahre alt und elektronischer Musiker und Musikproduzent.

Welche Kontakte haben Sie noch zu Ihrer Heimatstadt Dorsten?
Meine Mutter lebt noch dort, und ich habe meine Heimatstadt noch einmal ganz neu kennengelernt durch das „Baumhaus“-Projekt, das Lambert Lütgenhorst, der ehemalige Bürgermeister mit vielen anderen in der alten Stadtbücherei initiiert hat. Das war früher die Bücherei, in die ich immer mit meinem Vater gegangen bin und ich verbinde sie mit wunderbaren Erinnerungen. Ich war sehr berührt von dieser Initiative und unterstütze sie regelmäßig.