Seit fast 150 Jahren werden Postkarten geschrieben. Trotz Whatsapp und Facebook hat das bunte Papp-Bild hat noch Millionen Fans.

Schreiben – Hoffentlich kennst du dieses schöne Gefühl noch: Du öffnest den Briefkasten und zwischen all den Prospekten und weißen Briefumschlägen liegt eine bunte Karte. Im besten Fall ist sie an dich adressiert. Ein Gruß aus dem Urlaub, aus Spanien, Österreich, von der Nordsee oder sogar von einem fernen Kontinent wie Australien. So eine Postkarte ist nicht besonders teuer und trotzdem ist sie wertvoll. Du hältst sie in der Hand und merkst – da hat jemand an dich gedacht!

Meistens ist vorne auf der Karte ein Foto von einer großartigen Landschaft oder einer interessanten Stadt. Das ist ein bisschen, als ob dir der Kartenschreiber ein Stückchen von seinem Urlaub abgibt. Und natürlich kommt es auch vor, dass einer angibt: Schau mal, was ich Tolles erlebe! So oder so, jede Ansichtskarte ist ein kleines Geschenk. Und eine Einladung zu einer kurzen Kino-Vorstellung in deinem Kopf. Du betrachtest das Bild und liest den Text und kannst beinahe sehen, wie dein Freund/deine Freundin oder Verwandte jetzt mit dem Schlauchboot über den dunkelgrünen See paddeln...

Wie? Kein Umschlag?

Leider werden solche Karten jedes Jahr seltener. Sicher ahnst du, woran das liegt. Immer mehr Menschen schreiben ihre Urlaubsgrüße auf dem Smartphone, verschicken sie per Whatsapp, Instagram oder auf Facebook. Das ist ja auch extrem praktisch. Man muss keine Karte und keine Briefmarke kaufen, keinen Briefkasten suchen, und die Nachricht ist in Sekundenschnelle angekommen. Obendrein kann man kinderleicht viele eigene Urlaubsfotos senden. Trotzdem macht uns ein Whatsapp-Gruß meistens nicht so viel Freude wie eine Postkarte.

Gerade weil es sehr einfach ist, eine Nachricht über das Smartphone zu verschicken, bekommt man ja irre viele davon, manchmal Hunderte im Jahr. Das ist natürlich weniger spannend als eine einzige Karte im Briefkasten, die man dann an die Wand oder an den Kühlschrank hängen kann. Viele Menschen mögen das noch immer.

Im vorigen Jahr sind in Deutschland 155 Millionen Postkarten losgeschickt worden. Vier Jahre vorher waren es 210 Millionen. Doch auch wenn die Zahl sinkt: „Wir sind weit vom Aussterben der Postkarte entfernt“, sagt ein Sprecher der Post, es gebe noch immer jede Menge treue Fans der bunten Urlaubsgrüße. Kein Wunder. Die Deutschen waren mal Europameister im Schreiben und Sammeln von Postkarten. Seit fast 150 Jahren gibt es diese Papp-Nachrichten bei uns. Die Österreicher waren etwas schneller und schickten 1869 die ersten „Correspondenzkarten“ auf die Reise. In Deutschland reagierte man anfangs misstrauisch: Was waren denn das für komische Briefe, ohne Umschlag… da konnte ja jeder lesen, was man schrieb.

Kostenlose Feldpost

Doch ein Jahr später begeisterten sich auch die Deutschen für die neue Erfindung. Immerhin war die Briefmarke für die Postkarte nur halb so teuer wie für den Brief. Und es gab ja noch kein Telefon. Die Briefträger lieferten die Post mehrfach täglich aus, in der Hauptstadt Berlin sogar bis zu elf Mal am Tag! Beinahe lebenswichtig wurden die Postkarten bald in den Kriegen, die in Europa ausbrachen. Die sogenannte „Feldpost“ konnten Soldaten kostenlos verschicken – es war oft die einzige Möglichkeit für die Familie, zu erfahren, ob der Vater oder der Sohn bei einer Schlacht überlebt hatten. Solche Karten in der Post waren wertvoller als der größte Goldklumpen.

Mit den Jahren wurden die Postkarten perfekter. Erst zeigten sie Zeichnungen, dann Schwarz-Weiß Fotos, später glänzende Farbbilder. Im Jahr 1903 landeten in Deutschland 1,2 Milliarden Postkarten im Briefkasten. Diese Zeiten sind vorbei. Nach einer neuen Umfrage schreiben junge Menschen immer seltener auf der dünnen Pappe: nur jeder Dritte zwischen 16 und 29 Jahren verschickt im Urlaub eine Karte. Von den über 65-Jährigen machen das acht von zehn Urlaubern. Leider hat keiner die Kinder gefragt. Für viele gehört es fest zum Sommer: die Karte zu kaufen, die fremden Briefmarken in anderen Ländern zu bestaunen, einen winzigen Roman auf ein paar Quadratzentimeter zu dichten und dann abzuschicken – ein viereckiges Stück Ferienglück!