Paul Maar hat wieder einen wunderbaren Freund für geplagte Kinder erfunden. Der Schriftsteller erzählt im Interview, wie er als Schüler gemobbt wurde

Stell dir vor, du wachst in der Nacht auf, und in deinem Zimmer sitzt ein kugelrundes Kerlchen mit dürren Beinen – ein Galimat. Genau das passiert dem zehnjährigen Jim in dem neuen Buch von Paul Maar. Der kleine Außerirdische bringt das Leben des Jungen arg durcheinander, aber am Ende rettet er ihn aus einer verzweifelten Situation. Paul Maar (77) ist auch deshalb so berühmt geworden, weil er sich in die Gefühle von Kindern hineinversetzen kann. Viele Sorgen, die er in seinen Büchern beschreibt, plagten ihn als Schüler selbst. Das hat er uns in einem Interview erzählt.

Frage: In „Der Galimat und ich“ wird der hochbegabte Jim ständig geärgert und geschubst. Haben Sie sowas in Ihrer Schulzeit auch erlebt?
Paul Maar: Ja, leider. Als ich aus dem Dorf in die Stadt zog und auf eine neue Schule kam, verspotteten mich die Kinder, weil ich einen starken Dialekt sprach. Ich hatte große Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Ein Junge, der den gleichen Schulweg ging wie ich, verprügelte mich. Und immer wieder zog er mir die Mütze über den Kopf. Ich sah nichts mehr, aber er zwang mich, weiterzulaufen. Das war eine schlimme Zeit.

Haben Sie sich Hilfe gesucht?
Nein, als Kind schämt man sich ja, weil man so schwach ist. Ich besuchte nach dem Krieg, im Jahr 1946, die Grundschule. Damals mussten Jungs noch hart und stählern sein. Wenn ich zu meinem Vater gegangen wäre, hätte der gesagt: Hau dem doch eine rein!

Was würden Sie heute Kindern in so einer Situation raten?
Ich habe ein ganzes Buch zu diesem Thema geschrieben, es heißt „Jakob und der große Junge“. Darin werden verschiedenen Möglichkeiten gezeigt. Jakob bittet einen Freund um Hilfe. Dann begleitet ihn seine Mutter zur Schule, schließlich rettet ihn aber ein Mädchen.

Auch Jim findet Trost bei einem Mädchen. Rebekka ist ein bisschen dicklich. Wollen Sie damit zum Nachdenken über den Magerwahn vieler Teenager anregen? In Ihren Büchern steht ja immer mehr, als man beim ersten Lesen merkt.
Ja, daran habe ich wirklich gedacht. Auch in Kinderbüchern ist es mittlerweile oft so, dass die Mädchen besonders hübsch und schlank und sportlich sind. Man muss bei den Kindern ein wenig dagegenhalten... und Jim mag Rebekka gerade, weil sie mollig ist.

Die Figuren in Ihren Büchern essen überhaupt gerne und viel...
Ja, da landen wohl meine eigenen Träume im Buch. Ich bemühe mich immer, mein Gewicht zu halten und schiele doch ständig sehnsüchtig nach Süßigkeiten.

Was ist denn Ihr Lieblings-Mittagessen?
Nudeln! Nudeln in aller Form!

Auch Farben spielen in Ihren Büchern eine große Rolle. Rebekka trägt fast immer rot.
Rot ist meine Lieblingsfarbe. Doch nicht irgendein Rot. Ein kräftiges Rot, es heißt Karminrot, mit etwas Ocker und etwas Orange. Ich bin ja erst zur Kunstakademie gegangen und wollte Maler werden, bevor ich merkte, dass mein Talent eher beim Schreiben liegt. Aber ich habe für viele meiner Bücher, wie das Sams, selbst die Bilder gemalt.

Wird das Schreiben mit dem Alter einfacher oder schwerer?
Ich glaube fast, ein bisschen schwerer. Früher flogen mir die Ideen nur so zu und ich musste schauen, wie ich die sortiere. Im Alter von fast 78 bin ich froh über jede neue Idee.

Wie lange haben Sie für „Der Galimat und ich“ gebraucht?
Ich ziehe mich für jedes Buch drei bis vier Monate zurück in ein Haus am Waldrand. Da habe ich keine Ablenkung, es gibt kein Fernsehen. Wenn mir nichts mehr einfällt, gehe ich spazieren.

Das klingt aber sehr einsam.
Meine Frau kommt dreimal in der Woche vorbei. Und lustigerweise besuchen mich immer zwei Hunde. Sobald ich das Haus beziehe, klopfen sie tatsächlich mit der Pfote an die Tür, ein schwarzer und ein weißer Hund. Sie leisten mir Gesellschaft, bis das Buch fertig ist. Die Hunde gehören einem Grafen, der in der Nähe ein Haus hat. Ich glaube, die beiden schätzen die Wurstabfälle, die sie bei mir bekommen.