Ennepe-Ruhr-Kreis. Der SWR bezeichnet Notfallrettung in vielen Regionen als zu langsam. Nun hat sich der Ennepe-Ruhr-Kreis dazu geäußert.

Wenn Herz und Kreislauf plötzlich stehen bleiben, entscheiden oft Sekunden über Leben und Tod eines Menschen. Umso wichtiger ist es, dass die Notfallrettung gut funktioniert, wenn es darauf ankommt. Vor diesem Hintergrund hat eine bundesweite Recherche des öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunks (SWR) in Deutschland große Aufmerksamkeit erregt. Laut SWR zeigen die Ergebnisse, dass die Notfallrettung in vielen Regionen versage.

Dabei sieht das Recherche-Team auch im Ennepe-Ruhr-Kreis Defizite. Gemäß Daten des SWR arbeitet der Rettungsdienst an Ennepe und Ruhr ohne ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem, das Leitstellen hilft, zu prüfen, ob alle Prozesse optimal laufen. Auch eine First-Responder-App ist derzeit nicht im Einsatz. Diese alarmiert im Ernstfall Ersthelfer, die sich in der Nähe befinden und Betroffenen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes helfen können.

Rettungsdienst Ennepe-Ruhr-Kreis Michael Schäfer, Thomas Neumann, Jan Zietlow und Dennis Wichert
Von links: Michael Schäfer (Fachbereichsleiter Ordnung und Straßenverkehr), Thomas Neumann (Fachbereichsleiter Rettungsdienst), Jan Zietlow (Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes) und Dennis Wichert (Abteilungsleiter Bevölkerungschutz) stehen für den Rettungsdienst des Ennepe-Ruhr-Kreises Rede und Antwort. © WP | Max Kölsch

Die Verantwortlichen beim Ennepe-Ruhr-Kreis sehen den hiesigen Rettungsdienst durch den SWR-Beitrag in ein falsches Licht gestellt und beziehen dazu Stellung. Ihnen ist wichtig, zu betonen: „Kein Bürger muss sich Sorgen machen, wenn er rote Ampeln in dem Bericht sieht.“ Damit nehmen sie Bezug auf eine interaktive Online-Karte der Rundfunkanstalt, anhand derer verschiedene Kriterien farblich rot, gelb oder grün dargestellt werden - rot beispielsweise für die fehlende First-Responder-App.

Vorwurf der Einseitigkeit

Doch von vorne: Der SWR führt nach seiner Recherche an, dass geschätzt 100.000 Menschen pro Jahr in Deutschland einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand haben. Demnach ist ein Drittel von ihnen zwischen 18 und 65 Jahre alt. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen würden sterben, heißt es. Um deutlich zu machen, wie gut die Notfallrettung funktioniert, hat das SWR-Team in einer umfangreichen Datenrecherche alle 283 Rettungsdienstbereiche befragt - auch den im Ennepe-Ruhr-Kreis.

Dabei halten die ermittelten Daten auch positive Aspekte fest, darunter dass der Rettungsdienst des Ennepe-Ruhr-Kreises mit einer strukturierten oder standardisierten Notrufabfrage arbeitet, die den Leitstellen-Mitarbeitenden hilft, einen Herz-Kreislauf-Stillstand am Telefon zu erkennen und schnell lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Auf der interaktiven Karte im Internet ist das farblich in grün festgehalten.

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Für die Retter im Ennepe-Ruhr-Kreis ist diese Darstellung aber zu einseitig. „Rettungsdienst ist nicht schwarz oder weiß“, macht Dennis Wichert, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz, deutlich. Gemeinsam mit Michael Schäfer (Fachbereichsleiter Ordnung und Straßenverkehr), Thomas Neumann (Fachbereichsleiter Rettungsdienst) und Jan Zietlow (Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes) geht er auf einzelne Aspekte der SWR-Recherche ein.

Gesetzliche Vorgaben

Dabei geht es zum Beispiel um Anforderungen, die medizinische Fachgesellschaften an Rettungsdienste stellen. Demnach sollen die Retter in mindestens 80 Prozent der Reanimationen in spätestens acht Minuten da sein. „Die 80-Prozent-Quote ist eine qualitative Empfehlung, die sicher sinnvoll ist“, sagt dazu Fachbereichsleiter Thomas Neumann. Auf Basis dessen aber Rückschlüsse auf einzelne Rettungsdienste zu ziehen, ist aus seiner Sicht schwierig. Als Behörde sei man an gesetzliche Vorgaben des Landes NRW gebunden. Demnach soll die sogenannte Hilfsfrist in Einsatzkernbereichen in der Regel acht Minuten betragen. In Einsatzaußenbereichen soll diese in der Regel zwölf Minuten nicht überschreiten. Dabei würden die Bevölkerungszahl und die Notfallrate entscheidend seien, wie Fachbereichsleiter Michael Schäfer hinzufügt. Die Notfallrate ist die Zahl der Notfälle je 1000 Einwohner.

Dass der Ennepe-Ruhr-Kreis sowohl ländliche als auch städtische Bereiche hat, macht die Sache nicht einfacher. Derzeit werde der sogenannte Rettungsdienstbedarfsplan fortgeschrieben, fährt Schäfer fort. Darin geht es unter anderem um Zahl und Standorte der Rettungswachen sowie die Zahl der erforderlichen Krankenwagen und Notarzt-Fahrzeuge. Im Zuge dessen blickt der Ennepe-Ruhr-Kreis auch auf die Hilfsfrist. Abteilungsleiter Dennis Wichert erklärt, dass der Rettungsdienst im Ennepe-Ruhr-Kreis für alle Ortslagen gut aufgestellt sei. „Mit der Acht-Minuten-Grenze passt das schon“, so Wichert und meint damit sowohl die ländlichen als auch die städtischen Bereiche. Lediglich, wenn gerade kein Rettungswagen verfügbar sei, könne es länger dauern, da dann ein anderes Fahrzeug angefordert werden müsse.

Schon im Vorfeld hatte der Ennepe-Ruhr-Kreis gegenüber dem SWR erklärt, bereits erste Schritte zur Einführung eines Qualitätsmanagements gemacht zu haben, was die Rundfunkanstalt auch so darstellt. Dabei handelt es sich allerdings um kein zertifiziertes Verfahren. Alle Informationen und auch Probleme würden bei der Ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes zusammenlaufen und im Nachhinein auch besprochen und bearbeitet werden, erklärt der Ärztliche Leiter Jan Zietlow. Er sagt: „Qualitätsmanagement geht auch ohne ein qualifiziertes System.“

Ersthelfer-App schon geprüft

Mit einer First-Responder-App hat der Ennepe-Ruhr-Kreis sich auf Betreiben der Politik schon auseinandergesetzt. Eines der größten Probleme dabei: Der Einsatz einer solchen App ist per Gesetz nicht vorgeschrieben, wäre also für die Behörde freiwillig. Infolgedessen müsste sie diese auch selbst zahlen - einen entsprechenden Auftrag der politischen Fraktionen im Kreistag vorausgesetzt. Laut Dennis Wichert wird das entsprechende Rettungsdienstgesetz aktuell überarbeitet. Würde eine solche App dann zur Pflicht, könnte der Ennepe-Ruhr-Kreis diese Kosten abrechnen.

Mit einer strukturierten Notrufabfrage arbeitet der Rettungsdienst seit Jahren. Nach der Annahme eines Notrufes im Ennepe-Ruhr-Kreis, klärt die Leitstelle genau, was wo passiert ist. Anschließend notiert sie Name und Rückrufnummer des Anrufenden. Zur Einordnung: Im Jahr 2023 verarbeitete die Leitstelle im Schnitt 253 Notrufe am Tag. 34.088 Mal rückte der Rettungsdienst danach aus.

Zwar machen Fachkräftemangel und wachsende Einsatzzahlen es den Rettern auch im Ennepe-Ruhr-Kreis nicht leichter, wie Ärztlicher Leiter Jan Zietlow zugibt. Er sagt aber auch: „Wir haben im Kreisgebiet keine nennenswerten Ausfälle von Rettungsmitteln durch Personalmangel.“