Hagen. Das Unglück im Westfalenbad Hagen bewegte zuletzt die Stadt. Nun äußert sich die Mutter des fünfjährigen Mädchens, das am Freitag verstorben ist.
Der Fall bewegte die ganze Stadt Hagen. Jetzt ist es traurige Gewissheit: Das fünfjährige Mädchen, das am Sonntagabend im Westfalenbad ins Nichtschwimmer-Becken fiel und dann minutenlang unter Wasser lag, ist am Freitag gestorben. Die syrischen Eltern der kleinen Amira, Mutter Rahaf (27) und Vater Mohamad (28), hatten bereits am Donnerstagnachmittag von den Krankenhaus-Ärzten die unabwendbare Botschaft erhalten, dass ihr Kind nicht mehr lebensfähig sei.
Die Eltern sind zutiefst betroffen. Dennoch ist es ihnen ein Herzensanliegen, mit unserer Zeitung über das Geschehen im Westfalenbad zu sprechen.
Eigentlich wollte die Mutter mit ihren drei Kindern zunächst gar nicht ins Schwimmbad. Doch ihre beiden Töchter, die kleine Amira und ihre größere Schwester (7), quengelten. Sonntag war ein heißer Sommertag, die Sonne strahlte vom Himmel und eine erfrischende Abkühlung im Wasser täte den Kindern wohl richtig gut. Mutter Rahaf ließ sich überzeugen. Zumal eine Freundin und deren Kind auch noch mitkamen. Die Mutter nahm ihr zehn Monate altes Baby auf den Arm, die ältere Tochter und die kleine Amira an die Hand. Auf ging‘s ins Westfalenbad.
„Habe die Kinder nicht aus den Augen gelassen“
„Meine beiden Mädchen hatten richtig Spaß im Wasser“, erinnert sich die Mutter mit Tränen in den Augen. „Sie tollten den ganzen Nachmittag im Nichtschwimmer-Becken herum.“ Die kleine Amira hatte aus Vorsicht auch eine Schwimmweste an. „Die Kinder wurden von mir die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen“, betont Mutter Rahaf mit stockender Stimme, „sie waren richtig glücklich und wollten gar nicht mehr aus dem Becken heraus.“ Erst kurz nach 19 Uhr, also noch vor Badeschluss, gingen dann alle gemeinsam zum Duschen.
Tochter legt die Schwimmweste ab
Klein-Amira hatte dazu auch ihre Schwimmweste abgelegt. Fertig gewaschen und trocken gerubbelt passierte das, wofür es bislang keine Erklärung gibt: Die Fünfjährige verließ plötzlich und grundlos den Duschraum. Sie war schnell im Getümmel verschwunden. Die Mutter, die größere Tochter, die Freundin und deren Kind packten hastig ihre Badetücher zusammen und liefen in den Schwimmbereich. Auf der verzweifelten Suche nach ihrem Kind irrte Rahaf mit Baby im Arm zwischen den fünf Becken umher. Zu diesem Zeitpunkt tummelten sich noch etwa 170 Badegäste im Westfalenbad. Doch Amira war nirgends zu entdecken.
Hilfeschreie: „Ein Kind ist ertrunken“
Die Mutter rannte aufgeregt durch die Schwimmhalle. Rauf und runter, hin und her. „Einen Bademeister“, berichtet sie, „habe ich nicht gesehen.“ Sie suchte auch in den Umkleidekabinen. Amira war nicht auffindbar. In dem Augenblick, als sie im Eingangsbereich des Bades nach ihrer Fünfjährigen fragen wollte, hörte sie eine fremde Frau laut um Hilfe schreien: „Ein Kind ist ertrunken!“ Die junge Mutter lief zurück in die Halle. Dann die Szene, die sie niemals vergessen wird: Die kleine Tochter lag bewusstlos am Beckenrand. Zwei engagierte Ersthelfer, die beiden Medizinstudenten Omar (26) und Tarek Elmakky (20), hatten sich über das Kind gebeugt und versuchten es zu reanimieren. Doch Amira war offenbar schon viel zu lange unter Wasser. Etwa zehn Minuten, heißt es.
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Amira wird nie wieder aufwachen
Auf der Intensivstation verbrachten die Eltern die ganze vergangene Woche lang, Tag und Nacht, neben ihrem Kind, das aussieht, als würde es friedlich schlafen, aber nie mehr aufwachen wird. Die Ärzte haben bereits die erdrückende Botschaft übermittelt: „Amira schafft es nicht. Es gibt keine Hoffnung mehr.“ Der Hirntod sei bereits eingetreten.
Vater Mohamad betet. Er hat noch so viele offene Fragen. Und er möchte, dass alles genau aufgeklärt wird. „Es ist ja kein natürlicher Todesfall“, erklärt auch Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli, „deshalb muss diese Angelegenheit unserer Behörde vorgelegt werden. Was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben, kann ich natürlich jetzt noch nicht sagen.“
2015 nach Deutschland
Die Eltern reichen uns ein Foto von Amira mit der Bitte um Veröffentlichung. Sie wünschen sich sehnlichst, dass alle Menschen ihre kleine Tochter sehen und ihrer gedenken. 2015 floh das syrische Ehepaar vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland. Alle drei Kinder kamen in Hagen zur Welt: Das Baby, Amira und die ältere Schwester. „Der haben wir erklären müssen“, schluchzt die Mutter, „dass Amira jetzt in den Himmel kommt.“