Herdecke/Frankfurt. Den „Spirit von Ende“ holte sich DFB-Torjäger Niclas Füllkrug beim Training am Kalkheck. Heute wird sein Torriecher wieder benötigt:

Bisher gab es den „Geist von Spiez“, der vor 70 Jahren zum „Wunder von Bern“ führte, zwei Jahrzehnte später den „Geist von Malente“ und vor zehn Jahren jenen von Campo Bahia, der die deutschen Fußballer jeweils zu Weltmeisterschafts-Triumphen führte. Sollte auch die aktuelle Europameisterschaft 2024 mit der Krone enden, spätestens dann reiht sich hier der „Spirit von Ende“ ein. Vor allem dann, wenn Niclas Füllkrug dabei eine maßgebliche Rolle spielen sollte. Am Sonntag Abend tat der Angreifer von Borussia Dortmund das im Frankfurter EM-Stadion, als er in der Nachspielzeit per Kopfball das 1:1 gegen die Schweiz erzielte und dem deutschen Team doch noch den Gruppensieg bescherte. In Vorstandskreisen des FC Herdecke-Ende war man sich sofort sicher, wie Klubchef Marcel Schünke tags darauf bekannte: „Das ist der Spirit von Ende“. Denn auf dem Sportplatz des Herdecker Vereins am Kalkheck hat Füllkrug in den letzten Wochen in individuellen Extra-Trainingseinheiten an der Form gefeilt.

Der deutsche Nationalspieler Niclas Füllkrug hat sich mit Extra-Training heimatnah beim FC Herdecke-Ende in der Sportanlage Am Kalkheck - hier im Bild - auf die EM vorbereitet.
Der deutsche Nationalspieler Niclas Füllkrug hat sich mit Extra-Training heimatnah beim FC Herdecke-Ende in der Sportanlage Am Kalkheck - hier im Bild - auf die EM vorbereitet. © privat | Privat
Training im BVB-Outfit: Der deutsche Nationalspieler Niclas Füllkrug hat sich mit Extra-Training beim FC Herdecke-Ende in der Sportanlage Am Kalkheck auf die EM vorbereitet
Training im BVB-Outfit: Der deutsche Nationalspieler Niclas Füllkrug hat sich mit Extra-Training beim FC Herdecke-Ende in der Sportanlage Am Kalkheck auf die EM vorbereitet © Verein | Verein

„Heimatnah und ein bisschen anonym“

Von der Personal Trainer Agentur, mit der Niclas Füllkrug zusammenarbeit, hatte der bisherige Ender Klubchef Uwe Hölterhoff die Anfrage erhalten. „Man suchte einen Platz, um dort Spezialtraining für Nationalspieler vor der WM zu absolvieren“, erinnert sich der im April nicht zur Wiederwahl als 1. Vorsitzender angetretene Hölterhoff, der die Anfrage angesichts des Umbruchs im Vorstand weiterleitete. Für den im Sommer 2023 von Werder Bremen nach Dortmund gekommenen BVB-Stürmer, der nach WP-Informationen auch in Herdecke wohnt, suchte man einen etwas abgelegenen Platz mit kurzer Anreise, bei dem die Trainingseinheiten nicht von vielen Zaungästen verfolgt werden. „Heimatnah und ein bisschen anonym“, weiß Hölterhoff-Nachfolger Marcel Schünke.

Nur Ender Vorstand ist informiert

Am Kalkheck, der Rasen und Kunstrasen gleichermaßen bietet, wurde man fündig, regelmäßig kamen Füllkrug und zwei, drei Übungsleiter nun vormittags zu Übungseinheiten. „Etwa sechs bis acht Wochen vor dem Champions-League-Finale ging das los, das letzte Training fand noch in der Woche vor dem DFB-Trainingslager in Herzogenaurach hier statt“, sagt Schünke, meist kurzfristig kam die konkrete Anfrage, ein Ender Vorstandsmitglied schloss die Anlage auf. „Wir haben das ganz bewusst im Vorstand gehalten, auch im Verein niemand informiert“, sagt der FC-Klubchef, „er sollte ja in Ruhe arbeiten können.“ Nur ein paar Kinder aus der Nachbarschaft bekamen den prominenten Gast mit, baten um Autogramme. Viel Koordinationstraining absolvierten die Personal Trainer mit dem Nationalspieler, aber auch spezielles Torschusstraining, filmten regelmßig die Bewegungsabläufe. „Es war spannend zu sehen, wie Füllkrug aus allen Lagen den Ball in den Winkel haute“, staunte Schünke, „da merkt man schon den Unterschied zu uns Amateurfußballern - und dass der Mann damit sein Geld verdient.“

Auch interessant

Dass die Herdecker Luft den Nationalstürmer zu besonderen Leistungen beflügelte, wunderte die Ender Vorständler also nicht. Und dass Füllkrug mit seinem zweiten Joker-Tor bei der EM - mit wuchtigem und platzierten Kopfball nach punktgenauer Flanke in den Strafraum vom ebenfalls eingewechselten Linksaußen David Raum zum sehr späten 1:1 gegen die Schweiz - nach dem 4:0 beim Auftaktspiel gegen Schottland Geschichte geschrieben hat. Denn insgesamt viermal hat er im DFB-Dress bei Welt- und Europameisterschaften nun als Einwechselspieler getroffen, das hat vor ihm noch keiner geschafft. „Eigentlich bin ich es nicht gewohnt, als Joker zu spielen“, meinte Füllkrug nach dem Spiel vor den Fernsehkameras zwar - und: „Es gibt kein Geheimnis, denn eigentlich bin ich es ja nicht gewohnt, eingewechselt zu werden.“ Es sei „Freud und Leid für ihn zugleich“, dass Füllkrug seine Joker-Rolle gut erfülle, ergänzte Bundestrainer Julian Nagelsmann: „Das sind Momente, wo wir ihn brauchen.“

Sieben Joker-Tore

Niclas Füllkrug steht nun bei 13 Treffern in 19 Länderspielen. Diese beeindruckende Quote wird noch beeindruckender unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er 13-mal nur eingewechselt wurde und dabei sieben Tore schoss.

Im Achtelfinale im Heimatstadion Dortmund

Denn Füllkrug sorgte zwar mit seinem Tor dafür, dass das deutsche Team nun als Gruppensieger am nächsten Samstag in seinem Heimatstadion in Dortmund (21 Uhr) den Zweiten der Gruppe C zum Achtelfinale erwartet. Ob er aber erstmals den Sprung in die Startelf etwa statt Kai Havertz schafft, ist offen. „Er liefert Argumente für beide Sachen, weiter als Joker zu fungieren oder auch von Anfang an“, sagte Nagelsmann. Füllkrug habe wie Havertz „eine Woche Zeit, Gas zu geben. Dann schauen wir, wen wir haben.“ Der BVB-Angreifer aus Herdecke nimmt es gelassen: „So oder so – ich freue mich riesig auf das Achtelfinale in Dortmund.“

„Es war spannend zu sehen, wie Füllkrug aus allen Lagen den Ball in den Winkel haute.“

Marcel Schünke