Erfurt..

Die als „Emmely“ bekannte Kassiererin Barbara E. kann an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hob ihre Kündigung auf. Sie hatte Leergutbelege unerlaubt für sich eingelöst.

Sieg für „Emmely“: Das Bundesarbeitsgericht hat die sogenannte Bagatellkündigung einer Supermarkt-Kassiererin wegen Unterschlagung von zwei Leergutbons aufgehoben. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt. Der Supermarkt muss die vor zwei Jahren entlassene 52-jährige Berlinerin wieder beschäftigen, wie der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats, Burghard Kreft, am Donnerstag erklärte.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Berlin hatten die Kündigungsschutzklage der Frau abgewiesen. Die unter dem Pseudonym „Emmely“ bekanntgewordene Kassiererin Barbara E. war nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit bei der Kette Kaisers-Tengelmann fristlos entlassen worden. Der Filialleiter hatte ihr zwei nicht zuzuordnende Leergutbons mit Datum 12. Januar 2008 gegeben, damit sie verbucht würden, wenn sich der Besitzer melden würde.

Zehn Tage später löste sie zwei Bons mit demselben Datum im Wert von 82 und 48 Cent beim Einkaufen ein. Nach deren Herkunft befragt, erklärte sie, sowohl ihre Töchter hätten Zugang zu ihrem Portemonnaie als auch eine Kollegin. Der Arbeitgeber kündigte ihr am 22. Februar 2008 fristlos, weil sie schwerwiegend gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe.

Hohes Maß an Vertrauen erworben

Dagegen stellte das Bundesarbeitsgericht fest, der Vertragsverstoß der Kassiererin sei zwar schwerwiegend. Es sei aber nur als „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ anzusehen. „Er berührte den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und hat damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet.“

Für die Kassiererin sprach laut BAG, dass sie schon drei Jahrzehnte „ohne rechtlich relevante Störung“ bei dem Unternehmen beschäftigt war. Sie habe ein hohes Maß Vertrauen erworben. Dieses könne „durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden“. Bei der Abwägung des Falls fiel auch die „vergleichsweise geringfügige Schädigung“ des Betriebs ins Gewicht. Laut BAG hätte eine Abmahnung genügt.

„Sprachlos vor Glück“

Barbara E. zeigte sich „sprachlos vor Glück“. Ihr Anwalt Benedikt Hopmann sagte, das BAG habe einen Schlussstrich unter die ungerechte Rechtssprechung bei Bagatellkündigungen gezogen. Die Anwältin der Gegenseite, Karin Schindler-Abbes, kritisierte, mit dem Urteil werde strafbares Verhalten von Arbeitnehmern im Einzelhandel gerechtfertigt.

Ein Komitee „Solidarität mit Emmely“ aus Gewerkschaftern und politischen Gruppierungen hatte nach der Kündigung zu Protestaktionen und Kaufboykotten aufgerufen. Ihre Vermutung: Mit der Maßnahme sollte eine engagierte Gewerkschafterin kalt gestellt werden. Ende 2007 hatte die Kassiererin als einzige der 36 Beschäftigten an drei Streiks im Einzelhandel teilgenommen.

Die Gewerkschaft ver.di lobte die BAG-Entscheidung. Sie mache deutlich, welch hohen Stellenwert eine saubere Interessenabwägung habe. „Es ist tatsächlich überhaupt nicht darstellbar, jemanden wegen des Verdachts, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben, vor die Tür zu setzen, der 31 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet und sich in dieser Zeit nichts hat zuschulden kommen lassen.“ (apn)