Essen. Dass der Rhein oder der Möhnesee Gewitter aufhalten, ist eine Volksweisheit. Sind Gewässer eine Wetterscheide? Wir sind dem nachgegangen.

Wer in der Nähe des Rheins groß geworden ist, kennt diese Wetterweisheit: "Das Gewitter kommt nicht über den Rhein!" Gleiches sagt man über den Möhnesee. Gibt es sie wirklich, die unsichtbare Wand, von der das Gewitter abprallt?

Grundsätzlich gilt: Der Spruch ist ein Ammenmärchen, sagt ein Fachmann. "Der Rhein ist keine Wetterscheide", erklärt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Auf die Gewässer in unserer Region bezogen ist es also ein Mythos. Das gilt neben dem Rhein auch für den Möhnesee.

Von einer Wetterscheide sprechen Wetterexperten, wenn Landschaften sozusagen eine Trennlinie bilden. Bei Gewittern wäre dies aber nur bei richtig hohen Bergen der Fall. Dafür müssen die Erhebungen so hoch wie ein Mittelgebirge oder die Alpen sein. Die Berge zwingen große Luftmassen dazu, aufzusteigen und dabei eventuell ihre Wasserlast abzuwerfen.

Wann ein Gewässer das Gewitter beeinflussen kann

Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Gewitter um ein lokales Luftmassengewitter handelt. So eins, wie es sich an schwül-heißen Tagen im Sommer manchmal zusammenzubraut. Weht dann nur wenig Wind, kann der Gewitterzelle über kühlerem Wasser Energie entzogen werden, worauf sie in sich zusammenfällt und schwächer wird. Von der anderen Flussseite aus sieht es dann möglicherweise so aus. Wer meint, das Gewitter käme vom Rhein zurück, erlebt entweder, wie es zufällig und unabhängig vom Fluss wandert oder er sieht eine neue Gewitterzelle. Die dann vielleicht von der anderen Rheinseite herangezogen ist.

Etwas anders verhält es sich bei Gewitterfronten, an denen riesige warme und kalte Luftmassen beteiligt sind. Von Flüssen bleiben diese Fronten auf ihrer Bahn völlig unbeeinflusst. In mehreren Kilometern Höhe spielt die Wasseroberfläche auch eines großen Flusses keine Rolle mehr.

Rein physikalisch kann eine sehr große Wasserfläche zwar eine Schauerwolke beeinflussen – wenn das Wasser eine andere Temperatur als der umgebende Erdboden hat. Dann müsste die Oberfläche aber so groß wie der Bodensee sein oder es handelt sich um eine Meeresbucht. Denn selbst unsere größten Flüsse sind, wenn es hoch kommt, nur wenige Hundert Meter breit. Viel zu wenig, um einen Effekt auf das Wetter zu haben.

Woher kommt der Aberglaube?

Und woher kommt nun der Aberglaube an die Flüsse als Wetterscheiden? Darauf hat Wetterexperte Friedrich keine Erklärung. Aber vielleicht stimmt ja diese, die Martin Klein von der Wetter-Webseite donnerwetter.de aufgestellt hat. Er geht davon aus, dass die Wetterfrösche den Mythos selbst in die Welt gesetzt hätten - wenn auch ungewollt: "In den Vorhersagen müssen oft große Gebiete zusammengefasst werden und vor allem auch benannt werden": am Niederrhein, nördlich der Mittelgebirge oder eben: westlich des Rheins. (mawo)