Frankfurt/Main (dapd). Wirtschaftskriminalität hat einer Studie zufolge jedem zweiten Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren zu schaffen gemacht. 52 Prozent der teilnehmenden Firmen hätten sich über Unterschlagung, Korruption, Datenklau und andere Delikte beklagt, teilte die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) am Dienstag mit. Demnach sank zwar die Zahl der betroffenen Unternehmen, die durchschnittliche Schadenssumme schoss aber in die Höhe.
Im Zeitraum 2008 bis 2009 hätten noch 61 Prozent der Unternehmen über Fälle von Wirtschaftskriminalität berichtet, sagte PwC-Sprecher Steffen Salvenmoser. Allerdings sei seitdem die durchschnittliche Schadenshöhe von 5,6 Millionen auf 8,4 Millionen Euro gestiegen.
Nach Angaben des Hallenser Rechtsprofessors Kai Bussmann, der die PwC-Studie mit erstellte, beteiligten sich an der Untersuchung 830 Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von meist über 1.000. Bei den befragten Firmen, darunter auch börsennotierte, sei ein "rasanter Anstieg" von Antikorruptionsprogrammen zu beobachten.
Verfügte laut Studie im Jahr 2007 nur jede fünfte Firma über ein sogenanntes Complianceprogramm, waren es 2011 schon 59 Prozent. Die Verbreitung von solchen Richtlinien zu ethischen Standards ist branchenabhängig. Im Maschinenbau und in der Energiewirtschaft haben demnach zwei von drei Unternehmen ein solches Programm, bei den Finanzdienstleistern 60 Prozent. Dagegen habe nur jedes vierte Unternehmen in den Bereichen Transport und Logistik sowie Technologie (je 26 Prozent) und nur 22 Prozent in der Pharmaindustrie derartige Richtlinien eingeführt.
Bussmann führte den insgesamt stärkeren Kampf gegen Korruption auch auf die stärkere Berichterstattung in den Medien über Bestechungsfälle in Unternehmen zurück. "Marketingstrategien zerbröseln, wenn man gerade an den Pranger gestellt wird", sagte der Strafrechtler.
Die Befragten äußerten sich auch zu Täterprofilen. Demnach kommt jeder zweite (52 Prozent) aus dem eigenen Unternehmen. Meist seien es langjährige Mitarbeiter in gehobenen Positionen im Alter zwischen 31 und 50 Jahren, "also Personen, denen man ein besonderes Vertrauen entgegenbringt", heißt es in der Studie.
Werden die Vergehen von externen Tätern begangen, dann laut Studie meist von Geschäftspartnern oder Dienstleistern (43 Prozent). Fast jeder dritte externe Täter ist demnach Kunde der geschädigten Firma (29 Prozent). Nur jeder vierte externe Täter (24 Prozent) führe keine Geschäftsbeziehung mit dem geschädigten Unternehmen.
Die Studienteilnehmer konnten auch angeben, welchem Unternehmen sie bei Complianceprogrammen Vorbildfunktion zubilligen. 41,9 Prozent nannten nach PwC-Angaben dabei den Konzern Siemens, der in den vergangenen Jahren von mehreren Skandalen erschüttert wurde und danach grundlegende Besserung versprach. Als Vorbilder nannten die Studienteilnehmer demnach auch besonders oft Daimler (17,5 Prozent), Volkswagen (10,2 Prozent), die Deutsche Bank (9 Prozent) und BMW (8,3 Prozent).
Ein tatsächliches Ranking stelle diese Aufstellung nicht dar, sagte Bussmann, auch weil kleinere und weniger bekannte Unternehmen mit Antikorruptionsprogrammen in einer solchen Liste kaum auftauchen könnten. Außerdem sei es den Teilnehmern gestattet gewesen, an diesem Punkt der Befragung das eigene Unternehmen zu listen. "Siemens wurde bevorzugt aus den eigenen Reihen genannt", sagte Bussmann. PwC-Sprecher Salvenmoser resümierte, das Beispiel Siemens zeige, dass Unternehmen aus Bestechungsaffären auch gestärkt hervorgehen könnten.
dapd