München..

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Bloßstellung mutmaßlich pädophiler Männer in der RTL-2-Reihe „Tatort Internet“ verurteilt. Kindesmissbrauch sei „viel zu ernst für ein reißerisches Format“.

In der Debatte um die umstrittene RTL-2-Reihe „Tatort Internet“ hat sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegen die öffentliche Bloßstellung mutmaßlich pädophiler Männer ausgesprochen. „Der mittelalterliche Pranger ist dem Rechtsstaat unwürdig“, sagte die FDP-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstagausgabe). Das Thema Kindesmissbrauch sei „viel zu ernst für ein reißerisches Format“, kritisierte die Ministerin.

In der vor gut zwei Wochen gestarteten Sendung, die unter anderen von Stephanie zu Guttenberg präsentiert wird und heftige Kritik ausgelöst hat, werden mutmaßliche Pädophile im Netz mit Hilfe von Lockvögeln und versteckter Kamera entlarvt. Leutheusser-Schnarrenberger warnte, die strafrechtliche Verfolgung von Kindesmissbrauch sei allein Aufgabe des Staates. „Über Schuld und Unschuld entscheiden unabhängige Gerichte nach den Regeln des Strafrechts, nicht reißerische Sendeformate nach den Regeln der Quote“, erklärte sie. Die Ministerin warnte, dass ungerechtfertigte Vorverurteilungen in den Medien nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Gleichwohl könnten die Medien „wertvolle Hilfe“ im Kampf gegen Kindesmissbrauch leisten, „gerade durch Aufklärung über die Gefahren im Internet“.

Auch Sabine Verheyen, die sich als CDU-Abgeordnete im EU-Parlament für die Bekämpfung des Kindesmissbrauchs einsetzt, bezeichnete das Format als „viel zu reißerisch“: Es schüre ausschließlich Ängste, ohne den Gefährdeten zu helfen. Die Sendung verzichte weitestgehend auf Information, wo und wie sich Jugendliche und ihre Eltern schützen und helfen lassen können, sagte Verheyen dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Selbst die Rechte der Opfer, für die sich die von Guttenberg unterstützte Sendung starkmachen will, sieht die Politikerin verletzt: Die Täter würden zwar unkenntlich gemacht, ein junges Mädchen, das belästigt worden war, sei hingegen ganz offen interviewt worden. „In meinen Augen ist das auch eine Form des Missbrauchs, wenn ein Mädchen vor der ganzen Republik darstellen muss, wie unangenehm ihr die ganze Situation war.“

Cyber-Grooming steht bereits seit 2004 unter Strafe

Aus Sicht von Leutheusser-Schnarrenberger ist schon das vorgebliche Anliegen der Reihe, das Anbahnen sexuell motivierter Kontakte zu Kindern im Internet künftig unter Strafe zu stellen, „völlig verfehlt“. Dieses sogenannte Cyber-Grooming stehe in Deutschland bereits seit 2004 „bezüglich aller relevanten modernen Kommunikationsmittel“ unter Strafe, sagte die Ministerin dem „Spiegel“. Kritik übte sie deshalb auch an ihrer bayerischen Ministerkollegin Beate Merk (CSU). Dass diese ebenfalls gefordert hatte, Cyber-Grooming künftig unter Strafe zu stellen, sei ihr „unverständlich“. Um feststellen zu können, dass dies bereits heute strafbar ist, „hätte ein Blick in das Strafgesetzbuch genügt“, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien untersucht derzeit das RTL-2-Format. (dapd)