Aachen (dapd-nrw). Joseph Beuys blutet schwarz, und seine Haut ist gelb. So jedenfalls ist er auf den Plakaten zu sehen, die die Ausstellung "Nie wieder störungsfrei! Aachen Avantgarde seit 1964" im Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst ankündigen. Mit dem Foto von Beuys mit der blutigen Nase, die er sich beim Fluxus-Festival der Neuen Kunst am im Juli 1964 holte, wurde der damalige Professor an der Kunstakademie Düsseldorf buchstäblich zum Mythos.

Am Freitag öffnet die Ausstellung, mit der das Ludwig Forum auf die Kunstereignisse in den 1960er und 1970er Jahren zurückblickt. Präsentiert werden rund 150 Werke international bedeutender Künstler wie Joseph Beuys, Bernd und Hilla Becher, Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Gilbert & George, Gerhard Richter, Daniel Spoerri, Roy Lichtenstein, James Rosenquist, Andy Warhol und Nam June Paik.

Aachen war damals ein zentraler Ort neuer, experimenteller Strömungen: Mit dem Fluxus-Festival und Beuys' blutiger Nase begann die Entwicklung der Kaiserstadt in Grenzlage zum kulturellen Mittelpunkt. Studenten der Hochschule eröffneten damals die Galerie Aachen, wo politisch motivierte Kunstaktionen, Happenings und Fluxus-Veranstaltungen Künstler aus dem In- und Ausland nach Aachen lockten.

Im Juni 1968 gründeten der Journalist Klaus Honnef und der Galerist Will Kranenpohl zudem den "Gegenverkehr - Zentrum für aktuelle Kunst". "Der Gegenverkehr war damals die erste multidisziplinarische Institution rund um aktuelle Kunst in Deutschland", sagt die Kuratorin der Ausstellung, Annette Lagler. Die gute Vernetzung des Journalisten Honnef in der Kunstszene ermöglichte etliche hochrangige, manche spektakuläre Ausstellung. Gerhard Richter, heute einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler weltweit, zeigte 1969 seine erste Retrospektive im Aachener "Gegenverkehr".

Zeitgleich brachte der Kunstsammler Peter Ludwig, dessen Namen heute über ein Dutzend Museen auf der Welt tragen, "eine kunsthistorische Bombe zum Platzen", so Lagler, als er 1968 im beschaulichen Aachener Suermondt-Museum mitten zwischen Barock und Mittelalterkunst moderne Kunst von Roy Lichtenstein, Andy Warhol oder James Rosenquist zeigte.

Als Ludwig überlegte, Teile seiner Sammlung an das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu geben, sei ein Medienkrieg zwischen den beiden Domstädten ausgebrochen, sagt Lagler. beide Städte stritten um die Werke. "Die Dokumente und Zeitungsartikel von damals lesen sich wie ein Krimi." Auch sie werden in der Ausstellung präsentiert.

Den Wettstreit beendete schließlich die Gründung des ersten Ludwig-Museums, das sich - in der Neuen Galerie im Alten Kurhaus - ausschließlich der zeitgenössischen Kunst in ihren vielfältigen Spielarten gewidmet hat. Als Sammlermuseum auf der einen Seite und Aktionsort mit städtischem Direktor auf der anderen Seite stellte die Neue Galerie damals eine außergewöhnliche Institution dar, eine Symbiose aus privater und öffentlicher Hand. "Aachen zeigte damals alle Neuerwerbungen der Sammlung Ludwig zuerst in der Neuen Galerie. Das Wallraf-Richartz-Museum, später dann das Ludwig-Museum, war das klassische Museum, das die in Aachen erprobte Ware zeigte", erinnert sich der Direktor der Neuen Galerie, Wolfgang Becker.

Aus der Neuen Galerie ist dann 1991, also vor genau 20 Jahren, das Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen hervorgegangen. Und so schließt sich für die Direktorin des Ludwig Forum, Brigitte Franzen, der Kreis: "Im Jubiläumsjahr ist diese Ausstellung mit 150 hochwertigen Werken für uns der Blick zurück nach vorn."

dapd