Essen (RS). - Das, was Rainer Schick macht, wenn Tusem Essen Handball spielt, nennt er selbst: „durcharbeiten“. Neben seiner Frau Stefanie Peters drischt Rainer Schick auf seine Trommel und schreit sein Team nach vorn. Je frustrierender der Auftritt der Mannschaft, desto heftiger wird getrommelt, desto lauter angefeuert. Kompensation durch Motivation. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Schnell ein Pfefferminz gegen die Heiserkeit. Dann geht es weiter. Unermüdlich. Seit 28 Jahren.


- Das, was Rainer Schick macht, wenn Tusem Essen Handball spielt, nennt er selbst: „durcharbeiten“. Neben seiner Frau Stefanie Peters drischt Rainer Schick auf seine Trommel und schreit sein Team nach vorn. Je frustrierender der Auftritt der Mannschaft, desto heftiger wird getrommelt, desto lauter angefeuert. Kompensation durch Motivation. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Schnell ein Pfefferminz gegen die Heiserkeit. Dann geht es weiter. Unermüdlich. Seit 28 Jahren.

Mit 15 Jahren nahm ihn ein Schulfreund mit zum Tusem. „Er hat mir immer erzählt, dass es da cool ist“, sagt Rainer Schick. Und? „Er hatte Recht.“ Das war 1989. Tusem Essen hatte da schon zwei seiner drei Meisterschaften gefeiert, 1986 und 1987. Essen war Handball-Hochburg – und Rainer Schick plötzlich mittendrin.

Kurz nachdem Schick sein erstes Spiel live gesehen hatte, wurde der Verein von der Margarethenhöhe Deutscher Meister und gewann den Europapokal der Pokalsieger. Es war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Vereins. Spieler wie Jochen Fraatz, Thomas Happe und Torwart Stefan Hecker sind Legenden dieser Zeit. Rainer Schick hatte bald eine Dauerkarte, unterstützte die Mannschaft: „Als der Trommler einmal ausfiel, bin ich eingesprungen.“ Bald übernahm der heute 43-Jährige den Posten, wuchs in die Rolle, die er immer noch hat. Inzwischen feuert er den Tusem in der Zweiten Liga an.

Auf den letzten Drücker schaffte der Verein den Klassenerhalt. Derzeit steht er im Mittelfeld der Tabelle. Dieser Verein ist im Laufe der Jahre tief gestürzt. Mühsam war der Weg zurück in die Zweitklassigkeit.

Zwei Insolvenzen überstanden

Das Schicksal des Tusem wurde von zwei Insolvenzen geprägt – 2005 und 2008. Während die zweite laut Rainer Schick „eigene Dummheit“ war, weil man sich eine zu teure Mannschaft geleistet hatte, war die erste dramatisch. Der Tusem war einem Betrüger aufgesessen. Ein mittlerweile verurteilter Sponsor zahlte damals die zugesicherten drei Millionen Euro nicht. Essen erhielt keine Lizenz, musste in der Regionalliga neu anfangen.

Dieser Absturz war auch das Ende der Ära Klaus Schorn. Er hielt seit 1976 die Tusem-Fäden in der Hand, war der Macher der großen Erfolge. Er war es auch, dem 1990 ein Riesencoup gelang. Schorn lotste den russischen Superstar Alexander „Sascha“ Tutschkin ins Revier. Einer der weltbesten Handballer lief nun für Essen auf. Doch auch die Geschichte des Sascha Tutschkin ist eine dramatische. Bei einem seiner ersten Einsätze für den Tusem lag der Zwei-Meter-Mann, der am höchsten sprang und am härtesten warf, plötzlich am Boden. Knöchelbruch, Bänderriss, das volle Programm. „Die Schmerzensschreie waren furchtbar“, erinnert sich Rainer Schick. „Viele in der Halle hatten Tränen in den Augen.“

Rainer Schick besuchte Sascha Tutschkin im Krankenhaus, brachte ihm Genesungswünsche, ein T-Shirt und ein Maskottchen mit. „Sascha hat sich riesig gefreut“, sagt der Fan. „Eine solche Fürsorge von Fans kannte er nicht.“ Diese Verbindung zwischen Fans und Verein ist für Rainer Schick etwas Besonderes. Er spricht oft von der Tusem-Familie.

Letzter Titelgewinn 2005

Obwohl Tutschkin nach seiner Verletzung nicht mehr derselbe war, wurde er mit dem Tusem noch zweimal Pokalsieger (1991, 1992) und gewann 1994 den Euro-City-Cup. Rainer Schick war natürlich dabei. Genauso wie 2005 – beim Gewinn des EHF-Pokals, des bislang letzten Titels auf europäischer Ebene. Schick reiste mit der Mannschaft quer durch Europa. Längst gehörte er zum inneren Kreis. „Als die Jungs in Essen ihre Titel gefeiert haben, haben sie mir die Verantwortung für die Trophäen übertragen. Am nächsten Tag stand dann der Pokal auf meinem Küchentisch – bis ihn einer abgeholt hat.“

Rainer Schick, der Trommler, wurde zum Vertrauten der Spieler. Eine besondere Beziehung entwickelte er zu dem Franzosen Patrick Cazal. Der zweimalige Weltmeister kam 2002 zum Tusem. „In Frankreich hatte er den Status eines Zinédine Zidane“, sagt Schick, „aber in Essen funktionierte er einfach nicht.“ Schick kümmerte sich um den Franzosen. 2005 wurde Cazal Schicks Trauzeuge. Noch heute sind sie befreundet.

Zurück im Sportpark am Hallo. Das Spiel ist vorbei. Der Tusem hat knapp verloren. Rainer Schick legt die Trommel zur Seite. Dann verschwindet er in der Menge. Er hat Mark Dragunski entdeckt. Der frühere Essener Profi und Trainer besucht das Spiel seines alten Vereins. So ist das in der Tusem-Familie.