Als Hannelore Kraft vor zwei Jahren ihre erste Regierungserklärung vorlegte, war sie neu in der Staatskanzlei und stützte sich auf eine wacklige Minderheitskoalition. Wenn die SPD-Frau am Mittwoch an gleicher Stelle ihr Regierungsprogramm vorlegt, tut sie dies als eine Ministerpräsidentin, die sich nicht nur auf eine satte rot-grüne Mehrheit verlassen kann, sondern auch seit 2010 an Format gewonnen hat. Jetzt kann und muss Kraft zeigen, dass sie die drängenden Probleme Nordrhein-Westfalens beherzt anpackt.
Stichwort Industrie. NRW ist nach wie vor ein industriell geprägtes Land. Es gilt, diesen Standort langfristig zu stärken, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Das geht nur im Konsens mit den Unternehmen. Kraft, die seit 2010 demonstrativ den Dialog mit Firmen wie mit Gewerkschaften sucht, muss sich da gegen Widerstände auch aus Reihen des grünen Koalitionspartners durchsetzen.
Stichwort Energie. Nicht nur für Unternehmen, auch für private Haushalte muss Energie bezahlbar bleiben, will man nicht soziale Verwerfungen riskieren. Damit dies gelingt, reicht es nicht, allein auf Öko-Energie zu setzen. Kraft muss deutlich machen, dass Kohlekraftwerke auf Jahrzehnte hinaus unverzichtbarer Bestandteil des Energiemixes in NRW sein werden.
Stichwort Integration. Es ist Zeit für eine gezielte Zuwanderung. Das Land braucht dringend gut ausgebildete, qualifizierte Menschen aus dem Ausland. Bürokratische Hürden müssen gesenkt werden, um potenziellen Bewerbern bei Firmen, aber auch an den Hochschulen an Rhein und Ruhr attraktive Jobs zu bieten.
Stichwort Schulden. Das Land droht von seiner Schuldenlast erdrückt zu werden. Kraft muss klarer als bisher aufzeigen, wie sie ihre teure „vorbeugende Sozialpolitik“ – jetzt in Bildung investieren, um spätere Sozialkosten zu vermeiden – organisieren will. Die Schuldenbremse erhöht zusätzlich den Spardruck.
Hannelore Kraft muss ab sofort beweisen, dass sie den politischen Willen hat, diese Probleme anzugehen. Und sie hat die Chance, die Weichen dafür zu stellen.