Essen. Betriebsräte kritisieren öffentlich, dass Amazon die Mitbestimmung nicht ernst nehme. Forderung nach einem Inflationsausgleich ist berechtigt.
Verdi beißt sich seit Jahren an Amazon die Zähne aus. Mit immer neuen Warnstreiks will die Gewerkschaft den Handelsriesen zu Verhandlungen über eine Tarifbindung bewegen. Ohne Erfolg. Es ist eben nicht so leicht, US-Konzerne an das deutsche Sozialgefüge zu binden.
Das stellen auch die Betriebsräte fest, denen an manchen Standorten der Wind kräftig ins Gesicht bläst. Mancherorts wird versucht, Wahlen zu verhindern. Zuweilen werden Verträge von Arbeitnehmervertretern einfach nicht verlängert.
Umso mutiger ist es, dass sich alle deutschen Betriebsratsvorsitzenden nun gemeinsam an die Öffentlichkeit wenden, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Wie für andere Tech- und Onlinehändler scheinen auch für Amazon die fetten Jahre vorbei zu sein. Die galoppierende Inflation fordert ihren Tribut. Im dritten Quartal 2022 machte Amazon „nur“ 278 Millionen Dollar Nettogewinn – nach 14,3 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum.
Dass dem Konzern in dieser Situation der Sinn nicht nach Inflationsprämie und Mitbestimmung steht, ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Wenn Deutschland-Chef Rocco Bräuniger von „fairen Löhnen“ spricht, sollte er aber auch nicht verschweigen, dass vor allem auch seine Leute im Niedriglohnsektor ganz besonders unter steigenden Preisen leiden. Die Forderung der Betriebsräte nach einem Ausgleich ist also berechtigt.
Günstige Preise und schnelle Lieferung kann Amazon indes nur garantieren, wenn Kosten und Löhne gedrückt werden. Damit war der US-Riese zuletzt auch im Ruhrgebiet ein Jobmotor. Die soziale Gerechtigkeit sollte aber auch im Blick haben, wer demnächst wieder etwas bei Amazon bestellt.