Die EU-Kommissarin Viviane Reding hat recht, wenn sie die französische Regierung wegen deren mehr als fragwürdigen Umgang mit den Roma anbellt. Sie hat sogar Recht, wenn sie dabei über den üblichen Diplomaten-Jargon hinausgeht. Aber Reding hat kein Recht dazu, die gegenwärtige Ausweisung von Roma aus Frankreich in die Nähe der Verbrechen der Nationalsozialisten zu rücken. Genau das aber hat sie getan und damit einen Satz zu viel gesprochen. Denn auf diese Weise hat sie andere Regierungen – auch die deutsche – dazu gebracht, auf Distanz zu ihr zu gehen.
Die Europäische Union funktioniert – so wie sie funktioniert – nur deshalb, weil es eine unausgesprochene Übereinkunft gibt, kein Mitglied zu beleidigen, in die Ecke zu stellen oder dessen Interessen zu ignorieren. Nur unter dieser Bedingung sind EU-Partner bereit, ständig Entscheidungen mitzutragen, die ihnen Zugeständnisse abverlangen.
Man kann das langweilig finden, weil laute Duelle publikumswirksamer sind als das leise Ringen um einvernehmliche Lösungen. Aber dieser Umgang miteinander sorgt dafür, dass die EU letztlich doch gemeinsam Lösungen für Probleme findet – hoffentlich bald auch für die Sorgen der Roma.